JUNGE FRIESIN
OTTO H. ENGEL
Die Kunst war noch nicht das eigene
Gebiet für sich, war noch nicht das,
was uns Kunst ist, etwas vom Leben
Getrenntes.
Wenn von da ab ein Riß durch die
Kultur ging, so ist darin kein Grund
zur Klage, im Gegenteil, es beginnt die
Kunst von hier aus erst ihren eigenen
Weg. Sie beginnt ihn damit, daß sie
sich, wie im Mittelalter, der Natur feind-
lich gegenüberstellt. Aus diesem Natur-
feindlichen erwächst ihr erstes Werden.
Denn nun, indem sie sich von der
Natur abgesondert und ihre eigene
Stellung und Bedeutung gefunden hat,
wagt sie es, die Natur zu studieren,
und mit diesem Naturstudium gewinnt
die Renaissance die ihr eigene Fülle
und Schönheit. Ihre Harmonie ist
Kraft, Eigenart, eine ganz andere Har-
monie, wie die der Antike.
Mittelalter, das ist die Teilung der
antiken Natur-Harmonie in Gott und
Welt; das Beginnen der Gegensätzlichkeit,
das Einsetzen des Individuellen, mithin,
trotz aller anfänglichen Kunstvemeinung,
der Anfang der Kunst, unserer Kunst,
•) Dieser Aufsatz des trefflichen Kunstschriftstellers, der
jetzt, erst sechsunddreißig Jahre alt, gestorben ist, ging uns
noch kurz vor seinem Tode zu. Die Schriftleitung.
STALL-INNERES
OTTO H. ENOEL
DIE ENTTHRONUNG DER
ANTIKEN KUNST.
VON ERNST SCHUR, f*)
Der beherzte Animatus, von dessen
kraftvolleigener und charaktervoller Sprache
wir schon manche Botschaft vernahmen, hat
ein interessantes Büchlein herausgegeben,
das dem Problem der antiken Kunst end-
lich einmal zu Leibe rückt. (Erschienen
bei Oesterheld & Co., Berlin.) Nicht mit
verachtendem Protest, sondern mit sach-
lichen Gründen. Was er sagt, ist seltsam
klar, und man wundert sich, daß es noch
nicht so zur Darstellung kam.
Wir alle sind ja mit der vorbildlichen
Antike großgezogen worden. Kalt standen
manche oft vor der Venus von Milo, vor der
so viele Kunstbeflissenen anbetend in den
Staub sinken. Hier ist einer, der die Wahr-
heit gesteht und den Gründen nachgeht.
Das läßt sich natürlich mit kurzen
Worten nicht sagen. Die Antike ist dem
Verfasser die „naturverschmolzene“ Kunst.
D. h. Kunst und Leben waren in Harmonie.
486
OTTO H. ENGEL
Die Kunst war noch nicht das eigene
Gebiet für sich, war noch nicht das,
was uns Kunst ist, etwas vom Leben
Getrenntes.
Wenn von da ab ein Riß durch die
Kultur ging, so ist darin kein Grund
zur Klage, im Gegenteil, es beginnt die
Kunst von hier aus erst ihren eigenen
Weg. Sie beginnt ihn damit, daß sie
sich, wie im Mittelalter, der Natur feind-
lich gegenüberstellt. Aus diesem Natur-
feindlichen erwächst ihr erstes Werden.
Denn nun, indem sie sich von der
Natur abgesondert und ihre eigene
Stellung und Bedeutung gefunden hat,
wagt sie es, die Natur zu studieren,
und mit diesem Naturstudium gewinnt
die Renaissance die ihr eigene Fülle
und Schönheit. Ihre Harmonie ist
Kraft, Eigenart, eine ganz andere Har-
monie, wie die der Antike.
Mittelalter, das ist die Teilung der
antiken Natur-Harmonie in Gott und
Welt; das Beginnen der Gegensätzlichkeit,
das Einsetzen des Individuellen, mithin,
trotz aller anfänglichen Kunstvemeinung,
der Anfang der Kunst, unserer Kunst,
•) Dieser Aufsatz des trefflichen Kunstschriftstellers, der
jetzt, erst sechsunddreißig Jahre alt, gestorben ist, ging uns
noch kurz vor seinem Tode zu. Die Schriftleitung.
STALL-INNERES
OTTO H. ENOEL
DIE ENTTHRONUNG DER
ANTIKEN KUNST.
VON ERNST SCHUR, f*)
Der beherzte Animatus, von dessen
kraftvolleigener und charaktervoller Sprache
wir schon manche Botschaft vernahmen, hat
ein interessantes Büchlein herausgegeben,
das dem Problem der antiken Kunst end-
lich einmal zu Leibe rückt. (Erschienen
bei Oesterheld & Co., Berlin.) Nicht mit
verachtendem Protest, sondern mit sach-
lichen Gründen. Was er sagt, ist seltsam
klar, und man wundert sich, daß es noch
nicht so zur Darstellung kam.
Wir alle sind ja mit der vorbildlichen
Antike großgezogen worden. Kalt standen
manche oft vor der Venus von Milo, vor der
so viele Kunstbeflissenen anbetend in den
Staub sinken. Hier ist einer, der die Wahr-
heit gesteht und den Gründen nachgeht.
Das läßt sich natürlich mit kurzen
Worten nicht sagen. Die Antike ist dem
Verfasser die „naturverschmolzene“ Kunst.
D. h. Kunst und Leben waren in Harmonie.
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