STRASSENSTIL.
VON FELIX GENZMER.
In einem im „Seminar für
Städtebau“ gehaltenen Vortrag
„Das Haus im Stadtkörper“*)
habe ich mich über die künstlerische
Einheit der Straße und des Platzes
verbreitet. Der gleiche Gegenstand
ist kürzlich auch von Brinckmann
in der „Bauweh“ unter dem Titel:
„Die einheitliche Blockfassade“ be-
handelt. Weitere Schriften, die an-
gekündigt sind, scheinen sich mit
dem gleichen Thema beschäftigen
zu wollen. Die Frage der Gesamt-
gestaltung der Straße liegt demnach
zur Zeit in der Luft. Sie ist nichts
Neues, nur eine Zeitlang im Städte-
bau unbeachtet geblieben.
Mittelalterliche Städtebilder, solche
aus der Zeit der Renaissance, des
Klassizismus und selbst aus dem
Anfang des 19. Jahrhunderts bieten
fast immer eine künstlerische Ein-
heit. Denn die genannten Epochen
bildeten ihre Werke stets einheitlich
in der jeweils herrschenden Kunst-
form. Diese war Dogma. Man
wollte nichts Neues erfinden, son-
dern nur die allgemein gebräuchliche
Kunstform verbessern, vervollkomm-
nen und verfeinern. Grade dieses
*) Genzmer, F.: ,,Das Haus im Stadtkörper“.
Städtebauliche Vorträge aus dem Seminar für
Städtebau an der Königl. Technischen Hochschule.
Von Brix und Genzmer, Berlin 1912, Wilhelm
Ernst u. Sohn. Die hier veröffentlichten Abbil-
dungen No. 1-8, 11-13 sind mit Erlaubnis der
vorgenannten Verlagsbuchhandlung wiedergegeben.
ULM. HIRSCHGASSE
Abb. 1
Abb. 2
Festhalten führte zu dem hohen
Kunstergebnisse, die unsere stete
Freude sind, und zum — Stil.
Erst etwa in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts mit dem
neuzeitlichen Wachstum der Städte
und der damit verbundenen großen
Bautätigkeit ist die stilistische Ein-
heit verloren gegangen. In ihr liegt
aber die Ursache für die Schönheit
des Straßenbildes. Diese Einheit
ist am vollkommensten, wenn die
Hausfassaden architektonisch völ-
lig übereinstimmen; aber sie
braucht keineswegs zu fehlen, wo
keine vollständige Gleichheit der
einzelnen Teile vorhanden ist.
Es ist eine charakteristische Eigen-
PARIS. AVENUE DE L’ OPERA
644
VON FELIX GENZMER.
In einem im „Seminar für
Städtebau“ gehaltenen Vortrag
„Das Haus im Stadtkörper“*)
habe ich mich über die künstlerische
Einheit der Straße und des Platzes
verbreitet. Der gleiche Gegenstand
ist kürzlich auch von Brinckmann
in der „Bauweh“ unter dem Titel:
„Die einheitliche Blockfassade“ be-
handelt. Weitere Schriften, die an-
gekündigt sind, scheinen sich mit
dem gleichen Thema beschäftigen
zu wollen. Die Frage der Gesamt-
gestaltung der Straße liegt demnach
zur Zeit in der Luft. Sie ist nichts
Neues, nur eine Zeitlang im Städte-
bau unbeachtet geblieben.
Mittelalterliche Städtebilder, solche
aus der Zeit der Renaissance, des
Klassizismus und selbst aus dem
Anfang des 19. Jahrhunderts bieten
fast immer eine künstlerische Ein-
heit. Denn die genannten Epochen
bildeten ihre Werke stets einheitlich
in der jeweils herrschenden Kunst-
form. Diese war Dogma. Man
wollte nichts Neues erfinden, son-
dern nur die allgemein gebräuchliche
Kunstform verbessern, vervollkomm-
nen und verfeinern. Grade dieses
*) Genzmer, F.: ,,Das Haus im Stadtkörper“.
Städtebauliche Vorträge aus dem Seminar für
Städtebau an der Königl. Technischen Hochschule.
Von Brix und Genzmer, Berlin 1912, Wilhelm
Ernst u. Sohn. Die hier veröffentlichten Abbil-
dungen No. 1-8, 11-13 sind mit Erlaubnis der
vorgenannten Verlagsbuchhandlung wiedergegeben.
ULM. HIRSCHGASSE
Abb. 1
Abb. 2
Festhalten führte zu dem hohen
Kunstergebnisse, die unsere stete
Freude sind, und zum — Stil.
Erst etwa in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts mit dem
neuzeitlichen Wachstum der Städte
und der damit verbundenen großen
Bautätigkeit ist die stilistische Ein-
heit verloren gegangen. In ihr liegt
aber die Ursache für die Schönheit
des Straßenbildes. Diese Einheit
ist am vollkommensten, wenn die
Hausfassaden architektonisch völ-
lig übereinstimmen; aber sie
braucht keineswegs zu fehlen, wo
keine vollständige Gleichheit der
einzelnen Teile vorhanden ist.
Es ist eine charakteristische Eigen-
PARIS. AVENUE DE L’ OPERA
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