DIE AUSSTELLUNG VON
SCHMIEDEARBEITEN AUS
BERLINER WERKSTÄTTEN
im Königlichen Kunstgewerbemuseum Berlin.
Von Dr. Rudolf Bernoullx.
Es wird dem heutigen Kunstgewerbe schwer,
den Arbeiten vergangener Jahrhunderte eben-
bürtige Neuschöpfungen an die Seite zu stellen.
Bei den Vergleichen, die sich uns bei der Be-
trachtung moderner kunstgewerblicher Erzeugnisse
aufdrängen, wird fast ausnahmslos die Vergangen-
heit den Sieg davontragen. Aus dieser Erkennt-
nis heraus war einst die Parole ausgegeben worden:
Zurück zur Nachempfindung der Kunstformen
der V ergangenheit!
Ihren stärksten Ausdruck fand diese Strömung
in den achtziger Jahren. Und damals war auch
die Schmiedekunst bestrebt, unter Verwendung
der Vorlagen, welche ihr die Vergangenheit bot,
Neues im Sinne des Alten zu schaffen. In ge-
wissem Sinne ist es ihr auch gelungen. Damals
waren es Berliner Firmen, die in diesem Wett-
streit die erste Stelle einnahmen: Paul Marcus
und Ed. Puls.
Die Zeiten haben sich geändert. Das moderne
Kunstgewerbe ist erheblich selbständiger geworden.
Wenn auch der Zusammenhang mit der Ver-
gangenheit nicht absolut geleugnet wird, so ist
doch das Bestreben unverkennbar, aus der Technik
heraus die typischsten Formen zu entwickeln, die
Zweckbestimmung als das oberste Leitmotiv der
Arbeit gelten zu lassen, den Schmuck nur als
sparsam zu verwendendes Beiwerk zu behandeln,
das unbedingt der sachlichen Gesamterscheinung
untergeordnet werden muß.
Von dieser modernen Auffassung legte die
Ausstellung von Schmiedearbeiten, die der Leiter
der Sonderausstellungen im Kgl. Kunstgewerbe-
museum, Direktor Jessen, einberufen hatte, ein
zwiespältiges Zeugnis ab. Die Schmiedezunft
zeigte sich auch heutzutage, wie das schon jahr-
hundertelang bei ihr Sitte ist, in Stilfragen kon-
servativer als die andern Zweige des Kunst-
gewerbes.
Der Naturalismus, das Nachbilden von Natur-
formen, welche dem Material durchaus fremd
und absolut nicht angemessen sind, zeigte sich
hier neben Formen, die sich als wenig veränderte
Kopien älterer Arbeiten auswiesen. Und was
die technische Behandlung des Materials betrifft,
waren wohl durchweg tüchtige und kunstreiche
Arbeiten zu sehen, aber das Eigentümliche der
Schmiedeeisenkunst, die materialgerechte Behand-
lung, welche ohne Vergewaltigung, gewissermaßen
aus dem Wesen des Materials heraus, ihre Formen
entwickelt, war nur bei wenigen Ausstellern zu finden.
STAMMTISCHAUFSATZ MIT ZWEI HÄMMERN
Entwurf und Ausführung PAUL GOLDE-BERLIN
Woran liegt das? Aus den Motiven, welche
diesen Tatsachen zugrunde liegen, scheinen mir
zwei besonders erwähnenswert. Einmal, daß tat-
sächlich ein konservativer Zug durch die ganze
Schmiedeeisenkunst hindurchgeht. Die Technik
des Schmiedehandwerks verlangt besonders ge-
schickte und tüchtige Arbeitsleute. Es bildet sich
hier viel eher eine Werkstatt-Tradition heraus,
als bei Betrieben, wo ständig neue Arbeitskräfte
zufließen, denen ein Umlemen, ein Wechsel der
Beschäftigung nichts Außerordentliches ist. Die
Entwicklung geht mehr auf die Durchführung der
501
SCHMIEDEARBEITEN AUS
BERLINER WERKSTÄTTEN
im Königlichen Kunstgewerbemuseum Berlin.
Von Dr. Rudolf Bernoullx.
Es wird dem heutigen Kunstgewerbe schwer,
den Arbeiten vergangener Jahrhunderte eben-
bürtige Neuschöpfungen an die Seite zu stellen.
Bei den Vergleichen, die sich uns bei der Be-
trachtung moderner kunstgewerblicher Erzeugnisse
aufdrängen, wird fast ausnahmslos die Vergangen-
heit den Sieg davontragen. Aus dieser Erkennt-
nis heraus war einst die Parole ausgegeben worden:
Zurück zur Nachempfindung der Kunstformen
der V ergangenheit!
Ihren stärksten Ausdruck fand diese Strömung
in den achtziger Jahren. Und damals war auch
die Schmiedekunst bestrebt, unter Verwendung
der Vorlagen, welche ihr die Vergangenheit bot,
Neues im Sinne des Alten zu schaffen. In ge-
wissem Sinne ist es ihr auch gelungen. Damals
waren es Berliner Firmen, die in diesem Wett-
streit die erste Stelle einnahmen: Paul Marcus
und Ed. Puls.
Die Zeiten haben sich geändert. Das moderne
Kunstgewerbe ist erheblich selbständiger geworden.
Wenn auch der Zusammenhang mit der Ver-
gangenheit nicht absolut geleugnet wird, so ist
doch das Bestreben unverkennbar, aus der Technik
heraus die typischsten Formen zu entwickeln, die
Zweckbestimmung als das oberste Leitmotiv der
Arbeit gelten zu lassen, den Schmuck nur als
sparsam zu verwendendes Beiwerk zu behandeln,
das unbedingt der sachlichen Gesamterscheinung
untergeordnet werden muß.
Von dieser modernen Auffassung legte die
Ausstellung von Schmiedearbeiten, die der Leiter
der Sonderausstellungen im Kgl. Kunstgewerbe-
museum, Direktor Jessen, einberufen hatte, ein
zwiespältiges Zeugnis ab. Die Schmiedezunft
zeigte sich auch heutzutage, wie das schon jahr-
hundertelang bei ihr Sitte ist, in Stilfragen kon-
servativer als die andern Zweige des Kunst-
gewerbes.
Der Naturalismus, das Nachbilden von Natur-
formen, welche dem Material durchaus fremd
und absolut nicht angemessen sind, zeigte sich
hier neben Formen, die sich als wenig veränderte
Kopien älterer Arbeiten auswiesen. Und was
die technische Behandlung des Materials betrifft,
waren wohl durchweg tüchtige und kunstreiche
Arbeiten zu sehen, aber das Eigentümliche der
Schmiedeeisenkunst, die materialgerechte Behand-
lung, welche ohne Vergewaltigung, gewissermaßen
aus dem Wesen des Materials heraus, ihre Formen
entwickelt, war nur bei wenigen Ausstellern zu finden.
STAMMTISCHAUFSATZ MIT ZWEI HÄMMERN
Entwurf und Ausführung PAUL GOLDE-BERLIN
Woran liegt das? Aus den Motiven, welche
diesen Tatsachen zugrunde liegen, scheinen mir
zwei besonders erwähnenswert. Einmal, daß tat-
sächlich ein konservativer Zug durch die ganze
Schmiedeeisenkunst hindurchgeht. Die Technik
des Schmiedehandwerks verlangt besonders ge-
schickte und tüchtige Arbeitsleute. Es bildet sich
hier viel eher eine Werkstatt-Tradition heraus,
als bei Betrieben, wo ständig neue Arbeitskräfte
zufließen, denen ein Umlemen, ein Wechsel der
Beschäftigung nichts Außerordentliches ist. Die
Entwicklung geht mehr auf die Durchführung der
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