ZUR ERZIEHUNG DES KUNST-
HISTORIKERS.
Eine Erwiderung.
Von Dr. Georg Biermann.
In Heft 3 dieser Zeitschrift hat Georg
Hermann ein Thema zur Diskussion gestellt,
dem auch der ferner Stehende einen gewissen
aktuellen Reiz kaum absprechen wird. Denn
seitdem die Pflege des öffentlichen und speziell
des musealen Kunstlebens endgültig in die Hände
des wissenschaftlich gebildeten Fachmanns über-
gegangen ist, kann es nicht gleichgültig sein, die
Voraussetzungen kennen zu lernen, aus denen
die Anwartschaft auf eine in höchstem Maße
verantwortungsvolle Mission erwächst. Trotzdem
scheint mir in diesem Falle der geschätzte Ver-
fasser jenes Beitrages das Richtige nicht immer
zu treffen. Es ist schwer, ihm zu erwidern, weil
er zumeist Behauptungen aufstellt, die zunächst
durch nichts bewiesen sind. Man müßte im be-
sonderen, um sine ira et Studio zu einem solchen
Thema Stellung nehmen zu können, z. B. wissen,
wer die jungen Leute sind, die seiner Ansicht
nach zwar der Kunstwissenschaft obliegen und
doch eigentlich vom Künstlerischen nichts ver-
stehen. Ich kenne auch die Schätze aus des
Verfassers Sammlung nicht und kann infolge-
dessen gar nicht sagen, inwieweit sie Prüfsteine
für das Urteil jener jungen Leute sein können
STUDIE ERNST PFANNSCH.MIDT
320
und ob sie einen Mann, der einige Bände
über italienische Kunstgeschichte geschrieben
haben soll, so zu desavouieren vermögen, wie
es Herr Georg Hermann versichert. Auch müßte
ich wissen, wo der Verfasser selbst seine prak-
tischen Erfahrungen auf jenem Gebiete gesammelt
hat, über das er zu Gerichte sitzt.
Da ich von all diesem so gut wie gar nichts
kenne, kann ich eigentlich der Meinung des Herrn
Hermann nur meine eigene langjährige Erfahrung
gegenüberstellen, die allerdings aus einem mehr
als zehnjährigen engsten Konnex mit den kunst-
historischen Dingen, dem Kunsthandel und Mu-
seumswesen im besonderen, entspringt. Auch
habe ich in diesem Zeitraum nicht nur ein Stück
moderner Kunstwissenschaft erlebt, sondern oft
das Vergnügen gehabt, speziell den angehenden
Vertretern dieses Faches näherzutreten und einen
nicht ganz oberflächlichen Einblick in die Er-
ziehung des Kunsthistorikers im allgemeinen zu
gewinnen. Und ich habe mehr als einmal auch
die Distanz zwischen dieser und jener Persön-
lichkeit abmessen können und mich doch ge-
hütet, von den vereinzelten Enttäuschungen all-
gemein verdammende Rückschlüsse auf ein Fach-
gebiet zu wagen, das nachweislich wie kaum ein
zweites der Wissenschaft in allerkürzester Zeit
einen so grandiosen Aufstieg und ebensolche
Wertschätzung in der Öffentlichkeit erlebt hat.
Auch würde ich mich hüten, einen Fall wie den
von Herrn Hermann zitierten, den des verstorbenen
Kölner Museumsdirektors Carl Aldenhoven (dessen
Namen H. zwar nicht genannt hat) zu einem
verallgemeinernden Verdammungsurteil auszu-
schlachten. Denn Aldenhoven, dem die Kunst-
geschichte nicht wenig dankt, da er in unserem
Sinne ein vortrefflicher „Philologe der Kunst-
historie“ gewesen ist, war in seinem künstlerischen
Empfinden der Gegenwart gegenüber ein typischer
Vertreter jener alten Schule, die heute nirgends
mehr zu Recht besteht.
Es ist auch gewagt, von dem Lehrplan eines
einzigen Wintersemesters einer Universität end-
gültige Schlüsse auf den Studiengang des Kunst-
historikers zu ziehen. Ich gebe ohne weiteres zu,
daß nicht alles, was das weite Gebiet der Kunst-
geschichte ausmacht, auf den Universitäten wissen-
schaftlich doziert wird, daß in Sonderheit jene
Epochen noch zurückstehen, zu deren Erkenntnis
wir uns überhaupt erst in den letzten Jahren
durchgerungen, daß die Kunstgeschichte über-
haupt noch weite Strecken eines noch völlig
unerforschten Landes aufweist (das ist vielleicht
der schönste Reiz dieser Disziplin!), daß selbst
die Malerei gegenüber den Schwesterkünsten im
Lehrplan dominiert und die Renaissance noch
immer das Steckenpferd der kunsthistorischen
Erziehung ist und die Moderne stark im Hinter-
HISTORIKERS.
Eine Erwiderung.
Von Dr. Georg Biermann.
In Heft 3 dieser Zeitschrift hat Georg
Hermann ein Thema zur Diskussion gestellt,
dem auch der ferner Stehende einen gewissen
aktuellen Reiz kaum absprechen wird. Denn
seitdem die Pflege des öffentlichen und speziell
des musealen Kunstlebens endgültig in die Hände
des wissenschaftlich gebildeten Fachmanns über-
gegangen ist, kann es nicht gleichgültig sein, die
Voraussetzungen kennen zu lernen, aus denen
die Anwartschaft auf eine in höchstem Maße
verantwortungsvolle Mission erwächst. Trotzdem
scheint mir in diesem Falle der geschätzte Ver-
fasser jenes Beitrages das Richtige nicht immer
zu treffen. Es ist schwer, ihm zu erwidern, weil
er zumeist Behauptungen aufstellt, die zunächst
durch nichts bewiesen sind. Man müßte im be-
sonderen, um sine ira et Studio zu einem solchen
Thema Stellung nehmen zu können, z. B. wissen,
wer die jungen Leute sind, die seiner Ansicht
nach zwar der Kunstwissenschaft obliegen und
doch eigentlich vom Künstlerischen nichts ver-
stehen. Ich kenne auch die Schätze aus des
Verfassers Sammlung nicht und kann infolge-
dessen gar nicht sagen, inwieweit sie Prüfsteine
für das Urteil jener jungen Leute sein können
STUDIE ERNST PFANNSCH.MIDT
320
und ob sie einen Mann, der einige Bände
über italienische Kunstgeschichte geschrieben
haben soll, so zu desavouieren vermögen, wie
es Herr Georg Hermann versichert. Auch müßte
ich wissen, wo der Verfasser selbst seine prak-
tischen Erfahrungen auf jenem Gebiete gesammelt
hat, über das er zu Gerichte sitzt.
Da ich von all diesem so gut wie gar nichts
kenne, kann ich eigentlich der Meinung des Herrn
Hermann nur meine eigene langjährige Erfahrung
gegenüberstellen, die allerdings aus einem mehr
als zehnjährigen engsten Konnex mit den kunst-
historischen Dingen, dem Kunsthandel und Mu-
seumswesen im besonderen, entspringt. Auch
habe ich in diesem Zeitraum nicht nur ein Stück
moderner Kunstwissenschaft erlebt, sondern oft
das Vergnügen gehabt, speziell den angehenden
Vertretern dieses Faches näherzutreten und einen
nicht ganz oberflächlichen Einblick in die Er-
ziehung des Kunsthistorikers im allgemeinen zu
gewinnen. Und ich habe mehr als einmal auch
die Distanz zwischen dieser und jener Persön-
lichkeit abmessen können und mich doch ge-
hütet, von den vereinzelten Enttäuschungen all-
gemein verdammende Rückschlüsse auf ein Fach-
gebiet zu wagen, das nachweislich wie kaum ein
zweites der Wissenschaft in allerkürzester Zeit
einen so grandiosen Aufstieg und ebensolche
Wertschätzung in der Öffentlichkeit erlebt hat.
Auch würde ich mich hüten, einen Fall wie den
von Herrn Hermann zitierten, den des verstorbenen
Kölner Museumsdirektors Carl Aldenhoven (dessen
Namen H. zwar nicht genannt hat) zu einem
verallgemeinernden Verdammungsurteil auszu-
schlachten. Denn Aldenhoven, dem die Kunst-
geschichte nicht wenig dankt, da er in unserem
Sinne ein vortrefflicher „Philologe der Kunst-
historie“ gewesen ist, war in seinem künstlerischen
Empfinden der Gegenwart gegenüber ein typischer
Vertreter jener alten Schule, die heute nirgends
mehr zu Recht besteht.
Es ist auch gewagt, von dem Lehrplan eines
einzigen Wintersemesters einer Universität end-
gültige Schlüsse auf den Studiengang des Kunst-
historikers zu ziehen. Ich gebe ohne weiteres zu,
daß nicht alles, was das weite Gebiet der Kunst-
geschichte ausmacht, auf den Universitäten wissen-
schaftlich doziert wird, daß in Sonderheit jene
Epochen noch zurückstehen, zu deren Erkenntnis
wir uns überhaupt erst in den letzten Jahren
durchgerungen, daß die Kunstgeschichte über-
haupt noch weite Strecken eines noch völlig
unerforschten Landes aufweist (das ist vielleicht
der schönste Reiz dieser Disziplin!), daß selbst
die Malerei gegenüber den Schwesterkünsten im
Lehrplan dominiert und die Renaissance noch
immer das Steckenpferd der kunsthistorischen
Erziehung ist und die Moderne stark im Hinter-