DIE NEUERWERBUNGEN DER KÖNIGLICHEN NATIONALGALERIE
JAIRI TÖCHTERLEIN
JOH. FRIEDR. OVERBECK
DER KAUFMANN ALS
KUNSTERZIEHER.
VON DR. J.v.BÜLOW.
Wenn man sich einmal vergegen-
wärtigt, welche Bedeutung die bil-
dende Kunst in unserem modernen
Leben einnimmt, und wieviel Zeit
ihr derDurchschnittsmensch widmen
kann, so kommt eine sehr erheb-
liche Unterbilanz heraus. Wenn
der Großstädter heute zu seiner Er-
holung überhaupt eine Spanne Zeit
erübrigt, so nützt er sie in den
meisten Fällen, um seinem Gaumen
oder seinem Ohr einen Genuß zu-
zuführen, er geht ins Restaurant,
wo beides noch oft vereint wird, in-
dem ihn eine mehr oder weniger
aufdringliche Musik beim Essen
umgaukelt, oder ins Theater, wo
zu dem Ohrenschmaus noch die
ILLUSTRATION ZU DANTE
JOSEPH ANTON KOCH
Augenweide treten kann.
Daß es neben der Musik
und Schauspielkunst noch
eine sogenannte bildende
Kunst gibt, wird dem Normal-
menschen heut meist nicht
klar, obgleich gerade sie es
ist, die sich am meisten und
am wenigsten aufdringlich
um seine Gunst bemüht.
Denn im Grunde ist jeder
Gebrauchsgegenstand, der
sich nicht auf die allemot-
wendigste Verwendungsform
beschränkt, ein Werk der
bildenden Kunst. Ja, die
Gegenstände, welche sich
durch eine besondere Nütz-
lichkeit auszeichnen, zeigen
schon dadurch eine Form,
welche ästhetisch schön wirkt
und so zur Kunst rechnen
muß. Schön ist ein absolut
zweckvoller Gegenstand stets
und eine Lokomotive kann
einen größeren Kunstgenuß
bieten wie ein schlechtes
Denkmal.
Von jeher ist man bemüht
gewesen, den Gegenständen
des täglichen Gebrauches
eine Form zu geben, welche
sie uns anmutend erscheinen
lassen. Zeitweise hat man dies
dadurch versucht, daß man
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JAIRI TÖCHTERLEIN
JOH. FRIEDR. OVERBECK
DER KAUFMANN ALS
KUNSTERZIEHER.
VON DR. J.v.BÜLOW.
Wenn man sich einmal vergegen-
wärtigt, welche Bedeutung die bil-
dende Kunst in unserem modernen
Leben einnimmt, und wieviel Zeit
ihr derDurchschnittsmensch widmen
kann, so kommt eine sehr erheb-
liche Unterbilanz heraus. Wenn
der Großstädter heute zu seiner Er-
holung überhaupt eine Spanne Zeit
erübrigt, so nützt er sie in den
meisten Fällen, um seinem Gaumen
oder seinem Ohr einen Genuß zu-
zuführen, er geht ins Restaurant,
wo beides noch oft vereint wird, in-
dem ihn eine mehr oder weniger
aufdringliche Musik beim Essen
umgaukelt, oder ins Theater, wo
zu dem Ohrenschmaus noch die
ILLUSTRATION ZU DANTE
JOSEPH ANTON KOCH
Augenweide treten kann.
Daß es neben der Musik
und Schauspielkunst noch
eine sogenannte bildende
Kunst gibt, wird dem Normal-
menschen heut meist nicht
klar, obgleich gerade sie es
ist, die sich am meisten und
am wenigsten aufdringlich
um seine Gunst bemüht.
Denn im Grunde ist jeder
Gebrauchsgegenstand, der
sich nicht auf die allemot-
wendigste Verwendungsform
beschränkt, ein Werk der
bildenden Kunst. Ja, die
Gegenstände, welche sich
durch eine besondere Nütz-
lichkeit auszeichnen, zeigen
schon dadurch eine Form,
welche ästhetisch schön wirkt
und so zur Kunst rechnen
muß. Schön ist ein absolut
zweckvoller Gegenstand stets
und eine Lokomotive kann
einen größeren Kunstgenuß
bieten wie ein schlechtes
Denkmal.
Von jeher ist man bemüht
gewesen, den Gegenständen
des täglichen Gebrauches
eine Form zu geben, welche
sie uns anmutend erscheinen
lassen. Zeitweise hat man dies
dadurch versucht, daß man
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