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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Widmer, Karl: Die keramischen Werkstätten der Grossh. Manufaktur in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0774

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DEKORATIVES WANDBILD FÜR EIN WEINRESTAURANT ALBERT KLINONERf

Die keramischen Werkstät-
ten DER GROSSH. MANU-
FAKTUR IN KARLSRUHE
Von Professor Karl Widmer.

Im Jahre 1900 ließ der Großherzogliche Hof
in Karlsruhe von dem Architekten Friedrich
Ratzel im sogenannten Hardtwaldviertel ein
malerisches Häuschen erbauen, in dem die
ersten Werkstätten der Großherzoglichen Majo-
lika-Manufaktur eingerichtet wurden. Die künst-
lerische Leitung übernahm der Maler Wilhelm
Süs. Die ursprüngliche Aufgabe der Werk-
stätten entsprach ihrem verhältnismäßig beschei-
denen Umfang. Sie sollte ein Stück alter Hand-
werkskultur, das unter dem Einfluß der mo-
dernen Fabrik-Arbeit verkümmert oder ganz
untergegangen war, künstlerisch neu beleben.
In diesem Sinne sollte sie namentlich Künstlern,
die an der eigenen Ausführung keramischer
Arbeiten Gefallen finden, Material, Werkzeug
und technische Anleitung bieten. Die Erwar-
tungen, die auf die Teilnahme der Karlsruher
Künstlerschaft gesetzt wurden, haben sich denn
auch rasch erfüllt. Neben einer großen Anzahl
von Künstlern, die sich gelegentlich der hier
gebotenen Mittel kunsthandwerklicher Betätigung
bedienten, hat sich im Lauf der Zeit auch ein
fester Stamm von Mitarbeitern gebildet. Von
Malern hat im Anfang neben Wilhelm Süs

namentlich Hans Thoma, der an der Gründung
der Manufaktur überhaupt ein persönliches Ver-
dienst hat, emsig mitgewirkt. Er hat Skizzen
zu zahlreichen Fliesenbildern, Wandtellern und
dergleichen gezeichnet und seine Entwürfe zum
großen Teil auch mit eigener Hand auf die
Tonplatte gemalt. Von den einheimischen Bild-
hauern, die sich früher oder später dem engern
Kreis der ständigen Mitarbeiter angeschlossen
haben, treten Konrad Taucher, Hermann Binz
und namentlich Maximilian Würtenberger, eine
der eigenartigsten künstlerischen Persönlichkeiten
des ganzen Kreises besonders hervor.

Getreu ihrem Programm, künstlerische Hand-
werkskultur neu zu beleben, hat sich die Manu-
faktur von vornherein nicht auf die Pflege einer
technischen Spezialität verlegt, sondern ihre Auf-
gabe im universellen Sinne aufgefaßt. Alle
künstlerisch fruchtbaren Materialgattungen wer-
den bearbeitet: die einfache Bauernmajolika, die
feinere Fayence und das technisch anspruchs-
volle Steinzeug und Porzellan. Malerische
Flächenkunst und keramische Plastik finden
gleich wichtige Behandlung. Vom reinen Kunst-
gegenstand, dem Wandteller und der Statuette,
fand sich der Übergang zur angewandten Kunst
von selbst; so hat z. B. Würtenberger seine
originellen Statuetten zu mancherlei Gebrauchs-
gerät verarbeitet (den „Singenden Nachtwächter“
als Standuhr, den „Schacherjuden“ als Tinten-

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