Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0414
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Darf der Eigentümer eines Kunstwerks dieses ohne Erlaubnis des Künstlers verändern?
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OBERREALSCHULE IN WEISSENSEE. HAUPTTREPPENHAUS CARL-JAMES BÜHRINO
Darf der Eigentümer eines
KUNSTWERKS DIESES OHNE
ERLAUBNIS DES KÜNSTLERS
VERÄNDERN?
Ein Fresko-Bild auf dem Treppenflur eines
vornehmen Berliner Mietshauses zeigte einige
nackte mythologische weibliche Figuren, und diese
ließ die Besitzerin des Hauses später so über-
malen, daß sie bekleidet erschienen. Das preußische
Kammergericht hat nun auf die Klage des Malers
die Beseitigung der Übermalung angeordnet. Aus
den interessanten Gründen dieser den modernen
Zug unserer Rechtsprechung beweisenden Ent-
scheidung sei folgendes wiedergegeben:
Daß der Künstler auch nach Übertragung des
Eigentumes an dem von ihm geschaffenen Werke
einen gewissen Anspruch auf Anerkennung seines
Persönlichkeitsrechtes habe, wird jetzt allgemein
anerkannt. Und mit Recht, denn wer ein solches
Werk erwirbt, erwirbt mehr als die zu seiner
Herstellung verwandten Materialien, er erwirbt in
erster Linie die mittelst dieser Materialien vom
Künstler hervorgebrachte individuelle Schöpfung.
Er erhält in dem Kunstwerke ein Gut, welches
der wahre Künstler nicht lediglich zum Zwecke
materiellen Erwerbes, sondern zugleich im Interesse
der Kunst und zur Begründung oder Förderung
seines künstlerischen Rufes geschaffen hat. Diesem
Charakter des Kunstwerkes wird daher auch der
Erwerber im Verhältnisse zum Künstler nach
Treu und Glauben Rechnung zu tragen haben. . .
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Darf der Eigentümer eines
KUNSTWERKS DIESES OHNE
ERLAUBNIS DES KÜNSTLERS
VERÄNDERN?
Ein Fresko-Bild auf dem Treppenflur eines
vornehmen Berliner Mietshauses zeigte einige
nackte mythologische weibliche Figuren, und diese
ließ die Besitzerin des Hauses später so über-
malen, daß sie bekleidet erschienen. Das preußische
Kammergericht hat nun auf die Klage des Malers
die Beseitigung der Übermalung angeordnet. Aus
den interessanten Gründen dieser den modernen
Zug unserer Rechtsprechung beweisenden Ent-
scheidung sei folgendes wiedergegeben:
Daß der Künstler auch nach Übertragung des
Eigentumes an dem von ihm geschaffenen Werke
einen gewissen Anspruch auf Anerkennung seines
Persönlichkeitsrechtes habe, wird jetzt allgemein
anerkannt. Und mit Recht, denn wer ein solches
Werk erwirbt, erwirbt mehr als die zu seiner
Herstellung verwandten Materialien, er erwirbt in
erster Linie die mittelst dieser Materialien vom
Künstler hervorgebrachte individuelle Schöpfung.
Er erhält in dem Kunstwerke ein Gut, welches
der wahre Künstler nicht lediglich zum Zwecke
materiellen Erwerbes, sondern zugleich im Interesse
der Kunst und zur Begründung oder Förderung
seines künstlerischen Rufes geschaffen hat. Diesem
Charakter des Kunstwerkes wird daher auch der
Erwerber im Verhältnisse zum Künstler nach
Treu und Glauben Rechnung zu tragen haben. . .
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