Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

DOI article:
Langhammer, Carl: Kunst und Nichtkünstler: ein Vortrag
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0800

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kunst und nichtkünstler.

(Ein Vortrag).

Von Prof. Carl Langhammer.

Laie ist jeder, der nicht selbst Kunst macht.
Unter den Laien sind diejenigen, die ich mit
„Nichtkünstler“ bezeichnen möchte, solche, die
doch Beziehungen irgend welcher Art zur
Kunst haben. Nun ist mir wohl bekannt, daß
der richtige echte Laie, d. h. der in gar keiner
Weise Kunst macht, immer seltener wird. In
gewissen Stadtvierteln Berlins gibt es kaum
noch eine Familie, in der er ganz rein ge-
züchtet wird. Wovon sollten denn auch die
Unzahl von Malschulen existieren, woher die
Akademien privater und staatlicher Gründung
ihre Schüler nehmen? Alljährlich sorgen sie
dafür, daß einige hundert neue Kunstbeflissene
auf die Ausstellungen losgelassen werden. Die
staatlichen Akademien sind zum großen Teil
so reich mit Stipendien ausgerüstet, daß für
den jungen Akademiker bei bescheidenen An-
sprüchen gesorgt ist, solange er unter ihrer
Obhut steht, und das ist oft bis zum 30. Jahre
und noch länger der Fall. Er bekommt freies
Atelier, freie Farben, freie Studienreisen und
unter Umständen noch Barunterstützung dazu.

Das traurige Resultat davon ist, daß dem
jungen Künstler in den Jahren, wo er kämpfen
müßte, dadurch der Kampf erspart wird; daß

er, nachher kampfungewohnt, nicht mehr kampf-
fähig hinauskommt und scheitern muß.

Keiner kann die volle Ausrüstung für die
selbständige künstlerische Betätigung auf
einer Akademie erlernen, nur das Handwerkzeug
soll dort erworben und geschliffen werden.
Die wirklichen Kampfesjahre müßten die sein,
wo der Künstler zuerst hinaustritt in die
Öffentlichkeit, und dann ist ihm die Unter-
stützung viel notwendiger; denn wenn er über-
haupt Eigenes zu sagen hat, wird er zuerst
schwer Verständnis und materiellen Lohn für
seine Kunst gewinnen. Ihn in dieser Zeit zu
stützen wäre das allerwichtigste, denn jetzt
kommen die Zeiten der Not.

Ehe die Kunst auf staatlichen Schulen ge-
lehrt wurde, war das anders. Die Entwicklung
war natürlicher und gesunder. Der Künstler
kam zu einem Meister, bei dem er von der
Pieke auf technisch wie künstlerisch lernte.
Wenn er eine gewisse Reife in der Be-
herrschung der Mittel erlangt hatte, wurde er
mit an den Arbeiten seines Meisters beschäf-
tigt, er wurde sozusagen Geselle. Das Resultat
davon war die gründliche gediegene technische
Ausbildung, die souveräne Beherrschung der
Mittel, die wir bei den Werken der alten
Meister uns gewöhnt haben, als etwas Selbst-
verständliches nicht mehr anzustaunen.

Heute wird allenthalben über die mangel-
hafte Beherrschung der Mittel durch die kiinst-

AUS LUGANO. HANDZEICHNUNG CARL LANGHAMMER

678
 
Annotationen