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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Lorenz, Felix: Friedrich Kallmorgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0127

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Friedrich kallmorgen. von

FELIX LORENZ.

Ein Norddeutscher steht vor uns, dessen
Künstlertum droben in den grauen Städten am
Meer mit ihrem Hafengetriebe, mit ihren dunklen
giebeligen Fleethen, in dem Lande zwischen
Marsch und Geest zu Hause ist, der die Menschen
dieses harten niederdeutschen Bodens (über dem
ewiger Kampf zwischen Nebel und Sonne
herrscht) mit aller Liebe des Gefühls, mit aller
Klarheit der Beobachtung in seinen Bildern
nachgeschaffen hat. Friedrich Kallmorgen,
den gebürtigen Altonaer, zählt die Berliner
Akademie schon seit Jahren zu den ihrigen,
aber das Herz Kallmorgens ist doch wohl oben
an der Elbemündung geblieben, wo die ver-
gangene Hansamacht noch in Straßen und Toren
schlummert, Erinnerungen raunend, und gleich-
zeitig eine lauthämmernde Gegenwart das Lied
von der Arbeit, vom rastlosen Meer, von ewig
wechselndem Handel und Wandel singt. Von
dort weiß er am meisten und am packendsten
zu erzählen, mitunter in breit angelegten, von
Massigkeiten belebten oder von großzügigen
Horizonten eingesäumten Bildern, oft aber auch
in stillen Straßenepisoden, Genreszenen und
Winkelstudien. Oder es reizt ihn der archi-
tektonische Zauber mancher dieser nieder-
deutschen alten Großstadtstraßen, die wie durch
ein Versehen der Zeit noch stehen geblieben
sind — dann tut er ihre winkligen, so unsag-

bar malerischen Perspektiven auf, und Pinsel
oder Stift werden nicht müde, den verwitterten
Zügen liebevoll nachzugehen, all dies stürzende
Gemäuer vor dem Untergang zu retten. Am
wohlsten ist ihm oft, wenn er die Kleinstadt in
der Handelsmetropole aufsucht, dann aber reißt
es ihn fort ins Gebraus und Gewühl des Hafens,
sein fauchendes, donnerndes Leben aufzufangen,
ins Gequalm dieser Schlote, die Riesenvierecke
dieser Speicher einzudringen. Die Republik der
Schiffe, jedes eine Individualität, jedes mit ge-
heimnisvollen Aufgaben beschäftigt und einem
eigenen Ziel nachschießend, taucht mit Getümmel
in seinen streng sachlichen und doch von einem
Gemüt verklärten Bildern auf, fängt Auge und
Seele des Beschauers. Nebel und Regen wehen
heran — das werden Kallmorgens liebste Stimm-
ungen. In stillen, abgelegenen Hafenwinkeln
schaukeln dann verträumte Schiffe. Oder er
läßt das große Ungetüm Hamburg, nebeldunstig,
in schieiernde Gewänder sinken, eine melan-
cholisch singende Schönheit flüstert über diesen
verhüllten Zaubern der Ferne .... Wer einmal
die Elbestadt so in Wirklichkeit gesehen, wird
sie auf Kallmorgens Bildern und Zeichnungen
wiederfinden. Der hört auch manchmal Heines
Verse vorbeiklingen, als wenn sie aus diesen
Bildern drängen:

Am fernen Horizonte

Erscheint wie ein Nebelbild

Die Stadt mit Dächern und Türmen,

In Abenddämmrung gehüllt . . .

FLACHSBELADENES SCHIFF FR. KALLMORGEN

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