PLATTEN- UND SCHMELZMOSAIK
ENTWURF: R. P. SCHMIDT
AUSFÜHRUNG: GOTTFR. HEINERSDORFF-BERLIN
Moderne glaskunst.
VON MAX OSBORN.
Die Glaskunst war eine der ersten Provin-
zen des Kunsthandwerkes, deren Boden vom Re-
formpflug der modernen Bewegung aufgewühlt
wurde. Sie hatte im neunzehnten Jahrhundert
gemeinhin böse Zeiten durchgemacht. Wie bei
den meisten kunstgewerblichen Hantierungen
hatte sich auch hier das Gefühl für das Wesentliche
des Arbeitsproblems völlig verloren. Man hielt
sich an das Wort „Glasmalerei“ und meinte, es
wäre alles erledigt, wenn man nur die ge-
wohnten Malereien der Staffeleibilder auf Glas-
scheiben übertrüge. Aber wie hätte eine Epoche,
die nicht einmal das Staffeleibild vom monu-
mentalen Wandgemälde dem Wesen nach
zu unterscheiden wußte und diese beiden
grundverschiedenen Aufgaben nur nach dem
Maßstab des äußeren Umfangs auseinander-
hielt, jener schwierigeren Differenzierung ge-
recht werden können! Es waren im Grunde
nichts anderes als — „farbige Lichtbilder“, mit
denen man die Fenster der Kirchen und ge-
legentlich auch weltlicher Gebäude zu schmücken
suchte.
Da wies schon frühzeitig, aber zunächst ohne
auf dem Kontinent gehört zu werden, die englische
Präraffaelitengruppe auf neue, oder vielmehr
auf die guten alten Wege der Glaskunst. Eine
künstlerische Anschauung, die sich für die Er-
neuerung des Kunstgewerblichen auf die Gotik
stützte, konnte an den hohen Fenstern der mittel-
alterlichen Gotteshäuser nicht vorübergehen, und
mit dem redlichen Handwerksernst, der den
Bemühungen der Leute um Morris den festen
Boden gab, suchte man auch hier vor allem
den technischen Bedingungen der herrlichen
Wirkungen auf die Spur zu kommen, die man
namentlich im dreizehnten und dann wieder im
sechzehnten Jahrhundert auf diesem Spezial-
gebiet erreicht hatte.
Vom Präraffaelitentum ging es in gerader
Linie, wenn auch in gemessenem zeitlichen Ab-
stand, zu dem Deutschen Melchior Lechter
hinüber, dessen gotische Leidenschaften sich vor
allem an der Glaskunst der Alten entzündeten.
Schon in seiner ersten Berliner Ausstellung 1896
bei Gurlitt in der Leipzigerstraße trat Lechter
mit wunderbar reifen Werken auf, die eine radikale
Umwälzung der damals herrschenden Vor-
stellungen von der Glasmalerei heraufbeschworen.
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ENTWURF: R. P. SCHMIDT
AUSFÜHRUNG: GOTTFR. HEINERSDORFF-BERLIN
Moderne glaskunst.
VON MAX OSBORN.
Die Glaskunst war eine der ersten Provin-
zen des Kunsthandwerkes, deren Boden vom Re-
formpflug der modernen Bewegung aufgewühlt
wurde. Sie hatte im neunzehnten Jahrhundert
gemeinhin böse Zeiten durchgemacht. Wie bei
den meisten kunstgewerblichen Hantierungen
hatte sich auch hier das Gefühl für das Wesentliche
des Arbeitsproblems völlig verloren. Man hielt
sich an das Wort „Glasmalerei“ und meinte, es
wäre alles erledigt, wenn man nur die ge-
wohnten Malereien der Staffeleibilder auf Glas-
scheiben übertrüge. Aber wie hätte eine Epoche,
die nicht einmal das Staffeleibild vom monu-
mentalen Wandgemälde dem Wesen nach
zu unterscheiden wußte und diese beiden
grundverschiedenen Aufgaben nur nach dem
Maßstab des äußeren Umfangs auseinander-
hielt, jener schwierigeren Differenzierung ge-
recht werden können! Es waren im Grunde
nichts anderes als — „farbige Lichtbilder“, mit
denen man die Fenster der Kirchen und ge-
legentlich auch weltlicher Gebäude zu schmücken
suchte.
Da wies schon frühzeitig, aber zunächst ohne
auf dem Kontinent gehört zu werden, die englische
Präraffaelitengruppe auf neue, oder vielmehr
auf die guten alten Wege der Glaskunst. Eine
künstlerische Anschauung, die sich für die Er-
neuerung des Kunstgewerblichen auf die Gotik
stützte, konnte an den hohen Fenstern der mittel-
alterlichen Gotteshäuser nicht vorübergehen, und
mit dem redlichen Handwerksernst, der den
Bemühungen der Leute um Morris den festen
Boden gab, suchte man auch hier vor allem
den technischen Bedingungen der herrlichen
Wirkungen auf die Spur zu kommen, die man
namentlich im dreizehnten und dann wieder im
sechzehnten Jahrhundert auf diesem Spezial-
gebiet erreicht hatte.
Vom Präraffaelitentum ging es in gerader
Linie, wenn auch in gemessenem zeitlichen Ab-
stand, zu dem Deutschen Melchior Lechter
hinüber, dessen gotische Leidenschaften sich vor
allem an der Glaskunst der Alten entzündeten.
Schon in seiner ersten Berliner Ausstellung 1896
bei Gurlitt in der Leipzigerstraße trat Lechter
mit wunderbar reifen Werken auf, die eine radikale
Umwälzung der damals herrschenden Vor-
stellungen von der Glasmalerei heraufbeschworen.
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