NIEDERSÄCHSISCHE GOLDSCHMIEDEARBEIT
Das moderne klinst-
GEWERBE ALS GRADMESSER
UNSRER KULTUR.
(Zu den Arbeiten niedersächsischer Kunst-
handwerker.)
Von C. Zetzsche.
Mit freudiger Genugtuung verfolgen wir in den
regelmäßig wiederkehrenden Kunstausstellungen
und den künstlerisch geleiteten Verkaufsstätten
der Großstädte den Aufschwung unsres modernen
Kunstgewerbes, sehen, wie immer weitere Tech-
niken und Industrien sich ihm anschließen und
mit selbständigen, technisch und künstlerisch
vollendeten Arbeiten hervortreten. Fragen wir
uns aber ernstlich, ob und wie weit diese Glanz-
leistungen erster Künstler und industrieller Groß-
betriebe einen Schluß auf die Gesamtleistungen
zulassen, ob sie wirklich einen Aufschwung unsrer
Wohnungs- und Lebenskultur kennzeichnen und
verbürgen, so werden wir leider unsre stolze
Siegeszuversicht erheblich herabstimmen müssen.
C. H. HAHN-STADE
Gewiß besitzt Deutschland wieder ein Kunst-
gewerbe, auf das es stolz sein darf; aber noch
ist es im wesentlichen eine kostbare, blendend
prächtige Treibhauspflanze, der die wichtigsten
und verläßlichsten Nährwurzeln fehlen. Was von
den einzelnen führenden Künstlern geschaffen
wird, hat selbst in der Großstadt nur einen ver-
hältnismäßig engen Abnehmerkreis. Sehr große
Teile der durch gesellschaftliche Stellung und
Einkommen vor allem zur Pflege der Wohnungs-
und Lebenskultur berufenen Schichten, vor allem
die höfischen Kreise mit verschwindend geringen
Ausnahmen, stehen noch ohne Teilnahme und
Verständnis abseits.
Leider trifft es überall zu, was Otto Schulze,
der Leiter der Handwerker- und Kunstgewerbe-
schule in Elberfeld, in seinem Bericht über das
letzte Schuljahr von der Notlage des Handwerks
und deren Ursachen sagt: „Es liegt tatsächlich
weniger an der Erziehung des Handwerks und
Kunstgewerbes, als an der Erziehung der Be-
steller und Auftraggeber dieser Berufe; man
hat fast verlernt, persönlich mit Handwerkern
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Das moderne klinst-
GEWERBE ALS GRADMESSER
UNSRER KULTUR.
(Zu den Arbeiten niedersächsischer Kunst-
handwerker.)
Von C. Zetzsche.
Mit freudiger Genugtuung verfolgen wir in den
regelmäßig wiederkehrenden Kunstausstellungen
und den künstlerisch geleiteten Verkaufsstätten
der Großstädte den Aufschwung unsres modernen
Kunstgewerbes, sehen, wie immer weitere Tech-
niken und Industrien sich ihm anschließen und
mit selbständigen, technisch und künstlerisch
vollendeten Arbeiten hervortreten. Fragen wir
uns aber ernstlich, ob und wie weit diese Glanz-
leistungen erster Künstler und industrieller Groß-
betriebe einen Schluß auf die Gesamtleistungen
zulassen, ob sie wirklich einen Aufschwung unsrer
Wohnungs- und Lebenskultur kennzeichnen und
verbürgen, so werden wir leider unsre stolze
Siegeszuversicht erheblich herabstimmen müssen.
C. H. HAHN-STADE
Gewiß besitzt Deutschland wieder ein Kunst-
gewerbe, auf das es stolz sein darf; aber noch
ist es im wesentlichen eine kostbare, blendend
prächtige Treibhauspflanze, der die wichtigsten
und verläßlichsten Nährwurzeln fehlen. Was von
den einzelnen führenden Künstlern geschaffen
wird, hat selbst in der Großstadt nur einen ver-
hältnismäßig engen Abnehmerkreis. Sehr große
Teile der durch gesellschaftliche Stellung und
Einkommen vor allem zur Pflege der Wohnungs-
und Lebenskultur berufenen Schichten, vor allem
die höfischen Kreise mit verschwindend geringen
Ausnahmen, stehen noch ohne Teilnahme und
Verständnis abseits.
Leider trifft es überall zu, was Otto Schulze,
der Leiter der Handwerker- und Kunstgewerbe-
schule in Elberfeld, in seinem Bericht über das
letzte Schuljahr von der Notlage des Handwerks
und deren Ursachen sagt: „Es liegt tatsächlich
weniger an der Erziehung des Handwerks und
Kunstgewerbes, als an der Erziehung der Be-
steller und Auftraggeber dieser Berufe; man
hat fast verlernt, persönlich mit Handwerkern
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