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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Halke, Paul: Der Karikaturist, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0788

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AUS DER WERKSTATT DES KÜNSTLERS

Der Karikaturist.*)

Von Paul Halke.

Die Karikatur, die Lust zur Übertreibung, ist
wohl so alt, als die Menschheit selbst; soweit
uns unsere Forschungen zurückführen, wurde sie
schon von den ältesten der Altvorderen geübt,
um Kriegs- und Freudenfeste wirksam zu illu-
strieren. „Jeder Mann sein eigenes Witzblatt“,
mögen noch jetzt die dunklen Ehrenmänner in
den Mohrenländern denken, wenn sie ihr Gesicht
und andere ihrer Meinung nach geeignete Körper-
teile, die bei ihrem völligen Mangel an Bekleidung
zu augenfälliger „Verzierung“ besonders reizen,
bei ihren Festen mit primitiven Malereien schmücken
und dann ihre groteske Erscheinung durch komische
Tanzbewegungen gewissermaßen textlich unter-
stützen. Und das im Kreise herumhockende
Publikum ist gewiß genau so dankbar und lacht
gewiß noch herzhafter (zumal ein guter Festtags-
braten voraufgegangen!) als der moderne und

*) Wir setzen unsere Werkstatt-Artikelreihe fort mit einer fach-
männischen Plauderei des ausgezeichneten, bekannten Karikaturisten
des „Ulks“, des Berliner Malers Paul Halke. Die Redaktion.

übersättigte Kulturmensch, der im Kaffeehaus
sein Leibwitzblatt zur Hand nimmt, um
seinen Bedarf an neusten Kalauern zu decken.
Die griechischen Theatermasken waren Ver-
gröberungen und Verzerrungen eines Ausdrucks
oder einer Mimik, die auf die Entfernung wirken
sollten; sie hatten dabei den Vorteil, daß der
Zuschauer sich von vornherein sagen konnte:
„Aha, das ist die Tugend, die immer siegt, und
das der Bösewicht, der immer bestraft wird!“
Bekannt sind die Flugblätter, die das Mittelalter
hervorbrachte, und in denen Tagesereignisse und
politische Quertreibereien, an denen ja damals
kein Mangel war, genau so glossiert wurden, wie
wir es heutzutage ohne Ansehen der Person oder
des Amtes tun. Nur war die Verbreitung dieser
Karikaturen natürlich eine ganz beschränkte. Der
Druck kostete viel Geld und ging in gemächlicher
Langsamkeit vor sich; die Bilder, die durch den
Holzschnitt wiedergegeben werden mußten, litten
an demselben Übel. Dazu kam, daß nur ein
geringer Prozentsatz der Bevölkerung lesen konnte
oder eines näheren Verständnisses überhaupt
fähig war.

DIE PROJEKTIERTE WEINSTEUER
Aus den „LUSTIGEN BLÄTTERN“ BERLIN

FRANZ JÜTTNER


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