HERMANN PRELLS DECKENGEMÄLDE
samtheit mit einigen großen
Blicken überschauen, aber sich
in ihre Einzelheiten hundertmal
versenken kann, um immer neue
Schönheiten zu entdecken, so
besitzen die Dresdner in Prells
Rathaussaal eine solche seltene
Schöpfung.
die Kraft der eigenen schöpferischen Persön-
lichkeit ganz selbständig in die Wirklichkeit um-
gesetzt, wie er sie mit neuer Naturanschauung
erfüllt und belebt hat, das ist wohl das bedeut-
samste und für die Zukunft wertvollste Moment.
Meisterlich in allen Einzelheiten stellt die Prell-
sche Rathausdecke eine restlose Vereinigung der
bildenden Künste mit dem dekorativen Element
dar und schließt sich so innig an die Archi-
tektur an, daß man hier das so viel mißbrauchte
Wort „Raumkunst“ im vollsten und reinsten
Sinne anzuwenden berechtigt ist. Obwohl zu-
nächst alles auf diese einheitliche Oesamtwirkung
berechnet ist, so stehen doch alle Details, selbst
die unscheinbarsten Ornamente, zum Ganzen in
engster, unlösbarer Beziehung.
Daraus ergibt sich, daß bei all der unend-
lichen Fülle niemals eine Überfüllung sich fühl-
bar macht, sondern daß der Blick vom Ganzen
gern zu den Einzelheiten schweift, um von
ihnen wieder zum Ganzen zurückzukehren.
Wenn es das Kennzeichen derjenigen Kunst-
werke ist, die nicht an vergänglichen Mode-
anschauungen haften, sondern für lange Zeiten
geschaffen sind, daß man sie zwar in ihrer Ge-
Vor zehn Jahren hatte das
Wort „Sezession“ noch einen
frischen, fröhlichen und kriege-
rischen Klang. Man horchte
unwillkürlich auf und versprach
sich Überraschungen, Umstül-
pungen, neue Gesichtspunkte.
Heute liest man das Wort wie
jedes andere. Es hat garnichts
Aufregendes mehr, nicht im min-
desten etwas Umstürzlerisches.
Man denkt etwa: die akkreditierte
Moderne; oder: die Tempel-
hüter des Impressionismus; oder
Hermann prell auch: die auf dem heiligen Berg
sänftlich Eingeschlafenen. Das
klingt, je nach den Städten, im Ton ein wenig
verschieden. Am meisten Respekt hat man
jedenfalls noch vor der Berliner Sezession,
am wenigsten vielleicht vor der in München,
die in offizieller Gunst sich sonnt. Und
die in Wien? Ja, wenn sie nicht ihre
Hauptleuchten verloren hätte, ihre eigentlich
führenden Männer, dann wäre sie wohl immer
noch interessant. Man verstehe: ich spreche
hier von den Institutionen im Ganzen, von dem,
was sie sozusagen „wollen“, von ihrem Pathos,
von dem sie zusammenhaltenden Geist. Von
allem dem ist nicht viel mehr übrig geblieben —
was durchaus nicht verhindert, daß hier ganz
vortreffliche Leute und brav strebende Künstler
nach wie vor am Werke sind, jeder einzelne
ehrlich und gut, nur das Ganze in sich über-
lebt. Kurz, es könnte schon einmal wieder ein
neues Revolutiönchen gemacht werden, von
ganz jungen Leuten etwa, die die derzeitige
Kunstbewegung als Schlendrian erkennen und
die einen neuen Funken zu werfen wünschen.
Natürlich müßten sie den neuen Funken erst
haben! Doch das kann vielleicht abermals —
wer weiß? — zehn Jahre dauern....
DIE HERBSTAUS-
STELLUNG DER
WIENER SEZES-
SION. VON FRANZ
SERVAES.
300
samtheit mit einigen großen
Blicken überschauen, aber sich
in ihre Einzelheiten hundertmal
versenken kann, um immer neue
Schönheiten zu entdecken, so
besitzen die Dresdner in Prells
Rathaussaal eine solche seltene
Schöpfung.
die Kraft der eigenen schöpferischen Persön-
lichkeit ganz selbständig in die Wirklichkeit um-
gesetzt, wie er sie mit neuer Naturanschauung
erfüllt und belebt hat, das ist wohl das bedeut-
samste und für die Zukunft wertvollste Moment.
Meisterlich in allen Einzelheiten stellt die Prell-
sche Rathausdecke eine restlose Vereinigung der
bildenden Künste mit dem dekorativen Element
dar und schließt sich so innig an die Archi-
tektur an, daß man hier das so viel mißbrauchte
Wort „Raumkunst“ im vollsten und reinsten
Sinne anzuwenden berechtigt ist. Obwohl zu-
nächst alles auf diese einheitliche Oesamtwirkung
berechnet ist, so stehen doch alle Details, selbst
die unscheinbarsten Ornamente, zum Ganzen in
engster, unlösbarer Beziehung.
Daraus ergibt sich, daß bei all der unend-
lichen Fülle niemals eine Überfüllung sich fühl-
bar macht, sondern daß der Blick vom Ganzen
gern zu den Einzelheiten schweift, um von
ihnen wieder zum Ganzen zurückzukehren.
Wenn es das Kennzeichen derjenigen Kunst-
werke ist, die nicht an vergänglichen Mode-
anschauungen haften, sondern für lange Zeiten
geschaffen sind, daß man sie zwar in ihrer Ge-
Vor zehn Jahren hatte das
Wort „Sezession“ noch einen
frischen, fröhlichen und kriege-
rischen Klang. Man horchte
unwillkürlich auf und versprach
sich Überraschungen, Umstül-
pungen, neue Gesichtspunkte.
Heute liest man das Wort wie
jedes andere. Es hat garnichts
Aufregendes mehr, nicht im min-
desten etwas Umstürzlerisches.
Man denkt etwa: die akkreditierte
Moderne; oder: die Tempel-
hüter des Impressionismus; oder
Hermann prell auch: die auf dem heiligen Berg
sänftlich Eingeschlafenen. Das
klingt, je nach den Städten, im Ton ein wenig
verschieden. Am meisten Respekt hat man
jedenfalls noch vor der Berliner Sezession,
am wenigsten vielleicht vor der in München,
die in offizieller Gunst sich sonnt. Und
die in Wien? Ja, wenn sie nicht ihre
Hauptleuchten verloren hätte, ihre eigentlich
führenden Männer, dann wäre sie wohl immer
noch interessant. Man verstehe: ich spreche
hier von den Institutionen im Ganzen, von dem,
was sie sozusagen „wollen“, von ihrem Pathos,
von dem sie zusammenhaltenden Geist. Von
allem dem ist nicht viel mehr übrig geblieben —
was durchaus nicht verhindert, daß hier ganz
vortreffliche Leute und brav strebende Künstler
nach wie vor am Werke sind, jeder einzelne
ehrlich und gut, nur das Ganze in sich über-
lebt. Kurz, es könnte schon einmal wieder ein
neues Revolutiönchen gemacht werden, von
ganz jungen Leuten etwa, die die derzeitige
Kunstbewegung als Schlendrian erkennen und
die einen neuen Funken zu werfen wünschen.
Natürlich müßten sie den neuen Funken erst
haben! Doch das kann vielleicht abermals —
wer weiß? — zehn Jahre dauern....
DIE HERBSTAUS-
STELLUNG DER
WIENER SEZES-
SION. VON FRANZ
SERVAES.
300