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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Schmülling, Ludwig: Haben wir einen nationalen Baustil?
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0249

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BERLINER SEZESSION. SCHWARZ-WEISS-AUSSTELLUNG

Haben wir einen nationa-
len BAUSTIL?

Von Regierungsbaumeister Schmülling.

Vor kurzem wurde die Erinnerung an Wallot
gefeiert, an einen der ganz großen Baukünstler.
Wie der Schatten eines Riesen legte sich sein
Erinnerungsbild auf unsere Zeit der Landhaus-
baukunst, der Gartenmöbel und der Rokokolauben.
Wenn auch in dem Buch der Kunstgeschichte
das Blatt Wallot und seiner Mitarbeiter Rieth,
Rettig, Pfann, Schmalz etc. längst umgeblättert
ist, wenn auch ein neues Kapitel der Kunst heute
vorliegt, im Grunde verbinden uns mit der Zeit
Wallots zahlreiche Berührungspunkte.

Wallot war einer der Ersten, der das Deutsch-
tum in der Architektur stark betonte, der in einer
Zeit, als die Architektursprache mit italienischen
und französischen Idiomen allzustark vermischt
war, die fremden Phrasen auszumerzen versuchte.
Mehr wie die Vorderfront des Reichstagsgebäudes

zeugt hierfür die Hinterfront dieses Hauses, bei
der Wallot sich selber fand.

Aber Wallot war noch zu sehr der Enkel und
Erbe seinerzeit. Die steife Grandezza der offiziellen,
künstlerischen Kultur Preußens steckt ihm noch
in den Gliedern. Nur hier und da lugt aus seiner
monumentalen Geste ein gemütvoller, zu Herzen
gehender Zug. Erst die nach ihm einsetzende
Revolution der Kunstanschauungen konnte die
tyrannische Herrschaft der Tradition brechen.
Erst die Eckmann und Olbrich, die Pankok
und Riemerschmidt, die Wagner und Baumann,
die Herolde des Japanismus und die Jünger van
de Veldes vermochten mit ihrem Anarchismus
die Götzen der Überlieferung zu stürzen.

Heute ist das reinigende Gewitter mit all seinen
blitzartigen Erscheinungen vorüber. Wie ein wirrer,
bunter Traum liegt die Periode hinter uns, als
ein Peter Altenberg, ein Otto Wagner, ein
van de Velde ihre Theorien mit großem Unfehl-
barkeitsglauben predigten. Jetzt wissen wir, daß

KOHLEZEICHNUNG L. v. HOFMANN

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