Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

DOI Artikel:
Breuer, Robert: Der neue Leipziger Zentralbahnhof
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0732

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZENTRALBAHNHOF IN LEIPZIG. EMPFANGSGEBÄUDE ARCHITEKTEN: LOSSOW & KÜHNE-DRESDEN

Der neue leipziger zentral-

BAHNHOF.

Leipzig hatte bisher keinen brauch-
baren Bahnhof. Wo man auch ausstieg, glaubte
man in irgend einen Schuppen oder in einen
Abbruch geraten zu sein. Die Leipziger Bahn-
höfe, die zu den ältesten Deutschlands gehörten,
waren alle miteinander baufällig. Sie wären auch
längst aufgegeben worden, wenn man nicht bei-
nahe ein viertel Jahrhundert damit zugebracht
hätte, den neuen Zentralbahnhof zu planen,
vorzubereiten und endlich zu bauen. Nun
steht er da, wenn auch erst zur Hälfte fertig:
der größte Bahnhof Europas. Ein würdiges
Wahrzeichen der bedeutenden Handelsstadt und
dieses wichtigen Knotenpunktes des deutschen,
ja des europäischen Eisenbahnverkehrs.

Der Bahnhof ist durch einen Wettbewerb zu
seiner Form gekommen. Bei dieser Konkurrenz
waren zwei erste Preise verteilt worden; deren
einer fiel an die Dresdner Architekten Lossow
& Kühne. Sie bekamen auch die Ausführung.
Wobei selbstverständlich zu bemerken ist, daß
die Wettbewerbsentwürfe noch mannigfache
Umarbeitungen durchmachen mußten, ehe da-
nach gebaut werden konnte. Bei diesen Bear-

beitungen haben die Bauherren, die sächsische
und die preußische Eisenbahn Verwaltung, ihre
Wünsche und Vorschläge zur Geltung gebracht.
Man muß umsomehr anerkennen, daß es den
Architekten gelang, jene Diagonale zu leisten,
die jedes einem komplizierten Zweck verpflich-
tete Bauwerk darstellt, die Diagonale zwischen
den nackten Forderungen der Notwendigkeit
und den idealen Formvorstellungen des Künst-
lers. Wie der Leipziger Bahnhof wurde, und
wie er heute als machtvolle Baumasse den zum
Platz geweiteten Georgiring beherrscht, ist er
eine Architektur von sicherer Haltung, kraft-
vollem Rythmus und bewußtem Ausdruck für
das, was in ihm vor sich gehen soll. Er ist
ein Kopfbahnhof. Die Gleise laufen sich gegen
ihn tot. Dem Grundriß nach zeigt jeder Kopf-
bahnhof einen Querbahnsteig, eben jenen Teil,
gegen den die Gleise enden, und der sie von
dem eigentlichen Bahnhofsgebäude, seinen
Wartesälen und Zugangstreppen, trennt. Dieser
Querbahnsteig ist so etwas wie der Haupt-
muskel, wie das Lebenszentrum des Bahnhofes.
Da war es nun nur konsequent und ein eben-
so kluger wie temperamentvoller Architektur-
gedanke, daß Lossow & Kühne diesen Quer-
bahnsteig auch räumlich zu einem herrschen-

DIE KUNSTWELT I, 9

615
 
Annotationen