AUS DER WERKSTATT DES KÜNSTLERS
Medaillenkunst.
Von Georges Morin.*)
III.
[Die Technik.]
Vor dem geistigen Auge des Künstlers stände
das Werk schon vollendet — so sagt man —,
bevor die Hand dem Gedanken sichtbare Form
verleiht. Vollendet ist das geistig geschaute Bild
doch kaum, der Künstler hätte sonst nur nötig,
es eben abzuzeichnen, es ist nur ein geahntes
ideales Gesicht, das auch für den Künstler erst
festere, häufig wesentlich veränderte Gestalt ge-
winnt durch die handwerkliche Arbeit. Zunächst
durch die erste Skizze und in der Folge durch
weiter fortgebildete Entwürfe.
Für den Gelehrten, den Dichter ist die
schreibende Hand und die Sprache das Werk-
zeug zur Wiedergabe seiner Gedanken; der bildende
Künstler bringt durch seiner Hände Geschicklich-
keit die Vorstellungen seiner Phantasie zum Leben.
Zu jedem Gemälde, jeder Plastik ist also der
Entwurf die erste sichtbare Entwickelungsstufe.
Besonders in der Medaillenkunst sind diese ersten
meist zeichnerischen Anfänge der Arbeit von
grundlegender Bedeutung; mit flüchtigen Strichen
wird sich der Künstler klar über die Möglichkeit
und das Wie der Wiedergabe des Gedankens
auf der kleinen zur Verfügung stehenden Fläche.
Der Medaillenkünstler wird die Darstellung auf
das Notwendigste beschränken, da ein Zuviel die
Wirkung kleinlich macht, und bei eventuell an-
zubringender Schrift hat er schon im Entwurf
besonders für deren gute Verteilung zu sorgen,
denn das Schriftbild spielt, wie schon betont, in
der Medaillenkunst eine wesentliche Rolle.
Auch die Art, in welcher die endgültige Aus-
führung der Medaille gedacht ist, muß schon bei
dem Entwurf in Rechnung gezogen werden. Soll
die Medaille geprägt oder gegossen werden, führt
der Künstler das Modell in Originalgröße aus,
oder stellt er ein größeres Modell für die Ma-
schinenverkleinerung her? Solches sind grund-
legende technische Fragen.
Die Verkleinerungsmaschine, eine ursprünglich
deutsche Erfindung (siehe Abbildung), wurde von
den Franzosen zu großer Vollkommenheit ent-
wickelt, und ihrer Vollendung verdanken wir auch
in Deutschland den Aufschwung, den die sehr
daniederliegende Medaillenkunst in den letzten
*) Siehe auch die Hefte 3 und 5 der Kunstwelt.
450
dreißig Jahren genommen hat. Der Mechanis-
mus der Verkleinerungsmaschine ist ein kompli-
zierter und sehr empfindlich, so daß selbst Tem-
peraturschwankungen ihren Gang beeinflussen
können.
Die Maschine beruht auf dem bekannten
System des Storchschnabels; zwei Stifte, der
eine senkrecht gegen das Modell geführt, der
andere ebenso die Verkleinerung bohrend, arbeiten
vom Zentrum aus gegen die in gleicher Richtung
kreisenden Haltevorrichtungen, die hier das Modell,
dort die Verkleinerung tragen. Die in weichen
Stahl geschnittene Verkleinerung wird nach Här-
tung durch großen Druck in weichen Stahl ver-
senkt, und dies ergibt dann wiederum nach
Härtung den Prägestempel zur Vervielfältigung
durch die Prägemaschine. Selbstverständlich können
auch Verkleinerungen in weichem Material her-
gestellt werden, die dann als Modelle für Metall-
guß dienen können. Die Modelle für die Ver-
kleinerungsmaschine können von den Künstlern
in der Größe bis zu 30 Zentimetern angefertigt
werden; sie werden zumeist in Wachs oder Thon
modelliert, dann in Gips und endlich in Eisen
gegossen, damit der konzentrisch darauf laufende
Stift das Modell nicht beschädige.
Die Wiederbelebung der Medaillenkunst ver-
danken wir großen französischen Künstlern. Die
Medaillen - Modelle der Chaplain, Charpentier,
Roty und anderer Künstler sind in ihrer Art
einzig vollendet.
Aber der Umstand, daß die Modelle für
die Maschine größer modelliert sein können als
das fertige Stück dann werden soll, hat auch
diese Künstler häufig verleitet, mit manchen in
sich hervorragenden Arbeiten etwas zu schaffen,
was dem Wesen der kleinen Medaille, nur knapp
konzentrierte Darstellungen zu bringen, zuwider
war. Da die Maschine alles, selbst die kleinsten
Einzelheiten mit absoluter Genauigkeit wiedergibt,
so liegt die Versuchung nahe, auf dem großen
Modell zuviel zu geben. So finden wir auf den
französischen Medaillen z. B. naturalistische Land-
schaftsbilder. Bei aller Feinheit der Ausführung
sind derartige Darstellungen dem Medaillenstil
gewiss entgegen. In Deutschland hat man diese
Schwäche gut erkannt, und die Künstler, die
Medaillen-Modelle für die Maschinenverkleinerung
in größerem Maßstabe zu modellieren pflegen,
befleißigen sich, schon bei dem Entwurf die klare
Wirkung im Kleinen zu erstreben. Die auf diese
Weise aus unseren Medaillenmünzen jetzt her-
vorgehenden Stücke stellen einen der deutschen
Art würdigen und dem besten der alten Kunst
Medaillenkunst.
Von Georges Morin.*)
III.
[Die Technik.]
Vor dem geistigen Auge des Künstlers stände
das Werk schon vollendet — so sagt man —,
bevor die Hand dem Gedanken sichtbare Form
verleiht. Vollendet ist das geistig geschaute Bild
doch kaum, der Künstler hätte sonst nur nötig,
es eben abzuzeichnen, es ist nur ein geahntes
ideales Gesicht, das auch für den Künstler erst
festere, häufig wesentlich veränderte Gestalt ge-
winnt durch die handwerkliche Arbeit. Zunächst
durch die erste Skizze und in der Folge durch
weiter fortgebildete Entwürfe.
Für den Gelehrten, den Dichter ist die
schreibende Hand und die Sprache das Werk-
zeug zur Wiedergabe seiner Gedanken; der bildende
Künstler bringt durch seiner Hände Geschicklich-
keit die Vorstellungen seiner Phantasie zum Leben.
Zu jedem Gemälde, jeder Plastik ist also der
Entwurf die erste sichtbare Entwickelungsstufe.
Besonders in der Medaillenkunst sind diese ersten
meist zeichnerischen Anfänge der Arbeit von
grundlegender Bedeutung; mit flüchtigen Strichen
wird sich der Künstler klar über die Möglichkeit
und das Wie der Wiedergabe des Gedankens
auf der kleinen zur Verfügung stehenden Fläche.
Der Medaillenkünstler wird die Darstellung auf
das Notwendigste beschränken, da ein Zuviel die
Wirkung kleinlich macht, und bei eventuell an-
zubringender Schrift hat er schon im Entwurf
besonders für deren gute Verteilung zu sorgen,
denn das Schriftbild spielt, wie schon betont, in
der Medaillenkunst eine wesentliche Rolle.
Auch die Art, in welcher die endgültige Aus-
führung der Medaille gedacht ist, muß schon bei
dem Entwurf in Rechnung gezogen werden. Soll
die Medaille geprägt oder gegossen werden, führt
der Künstler das Modell in Originalgröße aus,
oder stellt er ein größeres Modell für die Ma-
schinenverkleinerung her? Solches sind grund-
legende technische Fragen.
Die Verkleinerungsmaschine, eine ursprünglich
deutsche Erfindung (siehe Abbildung), wurde von
den Franzosen zu großer Vollkommenheit ent-
wickelt, und ihrer Vollendung verdanken wir auch
in Deutschland den Aufschwung, den die sehr
daniederliegende Medaillenkunst in den letzten
*) Siehe auch die Hefte 3 und 5 der Kunstwelt.
450
dreißig Jahren genommen hat. Der Mechanis-
mus der Verkleinerungsmaschine ist ein kompli-
zierter und sehr empfindlich, so daß selbst Tem-
peraturschwankungen ihren Gang beeinflussen
können.
Die Maschine beruht auf dem bekannten
System des Storchschnabels; zwei Stifte, der
eine senkrecht gegen das Modell geführt, der
andere ebenso die Verkleinerung bohrend, arbeiten
vom Zentrum aus gegen die in gleicher Richtung
kreisenden Haltevorrichtungen, die hier das Modell,
dort die Verkleinerung tragen. Die in weichen
Stahl geschnittene Verkleinerung wird nach Här-
tung durch großen Druck in weichen Stahl ver-
senkt, und dies ergibt dann wiederum nach
Härtung den Prägestempel zur Vervielfältigung
durch die Prägemaschine. Selbstverständlich können
auch Verkleinerungen in weichem Material her-
gestellt werden, die dann als Modelle für Metall-
guß dienen können. Die Modelle für die Ver-
kleinerungsmaschine können von den Künstlern
in der Größe bis zu 30 Zentimetern angefertigt
werden; sie werden zumeist in Wachs oder Thon
modelliert, dann in Gips und endlich in Eisen
gegossen, damit der konzentrisch darauf laufende
Stift das Modell nicht beschädige.
Die Wiederbelebung der Medaillenkunst ver-
danken wir großen französischen Künstlern. Die
Medaillen - Modelle der Chaplain, Charpentier,
Roty und anderer Künstler sind in ihrer Art
einzig vollendet.
Aber der Umstand, daß die Modelle für
die Maschine größer modelliert sein können als
das fertige Stück dann werden soll, hat auch
diese Künstler häufig verleitet, mit manchen in
sich hervorragenden Arbeiten etwas zu schaffen,
was dem Wesen der kleinen Medaille, nur knapp
konzentrierte Darstellungen zu bringen, zuwider
war. Da die Maschine alles, selbst die kleinsten
Einzelheiten mit absoluter Genauigkeit wiedergibt,
so liegt die Versuchung nahe, auf dem großen
Modell zuviel zu geben. So finden wir auf den
französischen Medaillen z. B. naturalistische Land-
schaftsbilder. Bei aller Feinheit der Ausführung
sind derartige Darstellungen dem Medaillenstil
gewiss entgegen. In Deutschland hat man diese
Schwäche gut erkannt, und die Künstler, die
Medaillen-Modelle für die Maschinenverkleinerung
in größerem Maßstabe zu modellieren pflegen,
befleißigen sich, schon bei dem Entwurf die klare
Wirkung im Kleinen zu erstreben. Die auf diese
Weise aus unseren Medaillenmünzen jetzt her-
vorgehenden Stücke stellen einen der deutschen
Art würdigen und dem besten der alten Kunst