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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Rosenhagen, Hans: Die Neuerwerbungen der Königlichen Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0100

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SEEQESTADE MIT KLASSISCHEN GEBÄUDEN

KARL FRIEDR. SCHINKEL

DIE NEUERWERBUNGEN DER
KÖNIGLICHEN NATIONAL-
GALERIE.

VON HANS ROSENHAGEN.

Als Hugo v. Tschudi vor zwei Jahren die
National-Galerie verließ, um die Leitung der
Münchner Kunstsammlungen zu übernehmen,
hielten zum mindesten seine zahlreichen Anhänger
seine Schöpfung und deren Zukunft für stark
gefährdet. Ihr Mißtrauen gegen seinen Nach-
folger äußerte sich um so lebhafter, als dieser
gar keine Anstalten machte, die Öffentlichkeit
über seine Absichten und Pläne zu verstän-
digen. Nun, Ludwig Justi hatte Wichtigeres
zu tun. Galt es doch zuerst, des Kaisers
durch Tschudis unbekümmertes Vorgehen stark
erschüttertes Interesse für die Galerie wieder-
zugewinnen und seine Zustimmung für gewisse
notwendig gewordene Veränderungen innerhalb
der Sammlung und einen kaum länger auf-
zuschiebenden Umbau zu erhalten. Erst nachdem
Justi der Unterstützung des Monarchen sicher
sein durfte, konnte er seine Wirksamkeit als
Mehrer des in der Galerie versammelten Kunst-
schatzes beginnen. Daß er dabei Rücksichten
auf die Empfindungen und Ansichten des Kaisers
zu nehmen hatte und nahm, kann nur den
Stellen nicht selbstverständlich erscheinen, die in
der Opposition des vorigen Galerieleiters ein
fruchtbares Element gesehen. Die jetzt in den
schönen Sälen der Akademie mit großem Ge-
schmack hergerichtete Ausstellung der von Justi
gemachten Neuerwerbungen beweist, daß diese
Rücksichten genommen werden konnten mit
vollster Wahrung des höchsten künstlerischen
Niveaus.

Und wenn von gewisser Seite darüber ge-
klagt wird, daß der neue Direktor versäumt
habe, Werke einiger namhaften Sezessionskünstler

zu erwerben, so ist es eigentlich nur nötig,
daran zu erinnern, daß selbst Tschudi nicht
gewagt hat, die Einwilligung des Kaisers dazu
einzuholen, und daß von Seiten der Sezession
eigentlich alles geschieht, um die Abneigung
des Monarchen gegen ihre Bestrebungen zu
verstärken.

Wie dessen Stellungnahme auch beurteilt
werden mag: Er hat, wie jedermann, das

Recht, persönlichen Geschmack, Sympathien und
Antipathien zu besitzen, außerdem aber als
Souverän sogar die Verpflichtung, in Dingen
der Kunst konservativ zu sein, die großen Er-
rungenschaften der Vergangenheit hochzuhalten.
Daß er nicht aus Prinzip die Kunst der Gegen-
wart ablehnt, beweist der gegenwärtige, von
Tschudi geschaffene Zustand der Sammlung,
die ohne Frage die beste der neueren Kunst
in Europa ist, und Justis Neuerwerbungen be-
zeugen es weiter.

Wie schon sein Vorgänger, hat auch der
neue Direktor nur in beschränktem Maße seine
Ankäufe auf Ausstellungen gemacht. Mit gutem
Recht; denn die Zeit ist unproduktiv und arm
an bedeutenden künstlerischen Erscheinungen
und Werken. Als vorsichtiger und kluger
Galerieleiter hat er diese Sachlage benutzt, um
die Sammlung zu komplettieren und in ihren
Schwerpunkten zu stärken. Das ist nun sowohl
nach der historischen Seite geschehen, als nach der
reinkünstlerischen, und es hat ihm ebensowenig
wie Tschudi an Gönnern gefehlt, die ihm dabei
mit Geschenken zu Hülfe kamen. Als eine
Stärkung der Schwerpunkte ist es zu bezeichnen,
daß weitere wichtige Werke von Böcklin,
Feuerbach, Trübner und Menzel in die Galerie
gelangten. Der Hauptgewinn auf der historischen
Seite liegt in der Entdeckung FriedrichSchinkels,
des berühmten Architekten, als eines großen
deutschen Malers. Justi hat sechs Schinkelsche

DIE KUNSTWELT I, 2

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