AUS EINER FRIEDHOFSANLAQE RECHT, BACHMANN, FOETH-KÖLN, ARCHITEKTEN
IE ERZIEHUNG ZUM KUNST-
HISTORIKER.
VON GEORG HERMANN.*)
Ganz kurz und vorerst provisorisch möchte
ich hier einmal einigen Bedenken Ausdruck
geben, die von Jahr zu Jahr bei mir sich mehr
und mehr verstärkt haben, bis ich endlich der
Empfindung nicht mehr Herr werden konnte,
daß es nunmehr an der Zeit ist, die Dinge
wenigstens auszusprechen. Wenn auch vorerst
noch nicht in jener runden und vollen Form,
die ich ihnen später einmal zu geben gedenke.
Ich nehme das Verzeichnis der Vorlesungen
an der Berliner Universität für das letzte Winter-
semester — eben das, in dem wir uns be-
finden — zur Hand und sehe — sub Kunst-
geschichte — darin Vorlesungen folgenden
Inhalts angekündigt: Über Stadtanlagen und
Städtebaukunst in alter und neuer Zeit; ein paar
Vorlesungen zur griechischen Kunst; dann
ein Mal über die Kunst des Mittelalters; ein
Mal über die Kunst der deutschen Renaissance;
ein Mal über die Kunst der Früh-Renaissance
und der Hoch-Renaissance in Italien; besondere
Vorträge über Lionardo und Rembrandt, auch
über die Niederländische Malerei; eine Führung
durch das Kaiser-Friedrich-Museum; verschiedent-
liche Übungen, endlich sogar Übungen im An-
schluß an Goethes Schriften zur bildenden Kunst.
Und damit schließt das, was die Universität dem
angehenden Kunsthistoriker bietet. Es sei
meilenferne von mir, irgendwie den Wert oder
die Güte dieser Vorlesungen und Übungen an-
zuzweifeln. Im Gegenteil, ich bin wie der
junge Leutenant von der Frau — fest davon
überzeugt, daß sie in ihrer Art das Beste sind,
was man hat! Aber sie scheinen mir nicht
ganz zu genügen, oder am untauglichen Objekt
vollzogen zu werden. Irgendwelche anderen
Lehrinstitute zu besuchen, ist nämlich für den
werdenden Kunstforscher nicht erforderlich. Ja —
es ist sogar möglich, daß es ihm verboten ist.
Es ist fraglich, ob der Kunsthistoriker zugleich
auf der technischen Hochschule immatrikuliert
sein darf und dort Vorträge über Stillehre und
Architektur hören kann. Irgendwelche kunst-
gewerblichen Vorträge oder Übungen hört er
sicherlich ebensowenig. Niemals kommt er in
ein Atelier. Die Anstellung eines Zeichenlehrers
für die Studierenden ist noch in jüngster
Zeit abgelehnt worden. Die paar Epochen,
mit denen sich an der Universität die Kunst-
geschichte befaßt, sind aufs engste umgrenzt.
Die Paradepferde sind die italienische Früh- und
Hoch-Renaissance, ebenso die Zeit Dürers und
Holbeins. Auf anderer Seite die Zeit Rembrandts
und van Eyks. Aber man denke nicht etwa,
daß nun ein Gesamtbild der künstlerischen
Kultur jener Tage gegeben wird. In Betracht
kommt zuerst die Malerei, zu zweit die Plastik,
ganz gering nur die Architektur. Auch die
195
*) Wir geben diesem Aufsatz Raum, ohne uns indessen mit den darin vertretenen Ansichten in Übereinstimmung zu befinden. Die
Verhältnisse liegen denn doch heute vielfach schon ganz anders! Das interessante Thema wollen wir jedenfalls zur Diskussion stellen,
und es wäre wertvoll, wenn aus den Kreisen der Kunsthistoriker selbst dazu das Wort ergriffen würde. Die Redaktion.
IE ERZIEHUNG ZUM KUNST-
HISTORIKER.
VON GEORG HERMANN.*)
Ganz kurz und vorerst provisorisch möchte
ich hier einmal einigen Bedenken Ausdruck
geben, die von Jahr zu Jahr bei mir sich mehr
und mehr verstärkt haben, bis ich endlich der
Empfindung nicht mehr Herr werden konnte,
daß es nunmehr an der Zeit ist, die Dinge
wenigstens auszusprechen. Wenn auch vorerst
noch nicht in jener runden und vollen Form,
die ich ihnen später einmal zu geben gedenke.
Ich nehme das Verzeichnis der Vorlesungen
an der Berliner Universität für das letzte Winter-
semester — eben das, in dem wir uns be-
finden — zur Hand und sehe — sub Kunst-
geschichte — darin Vorlesungen folgenden
Inhalts angekündigt: Über Stadtanlagen und
Städtebaukunst in alter und neuer Zeit; ein paar
Vorlesungen zur griechischen Kunst; dann
ein Mal über die Kunst des Mittelalters; ein
Mal über die Kunst der deutschen Renaissance;
ein Mal über die Kunst der Früh-Renaissance
und der Hoch-Renaissance in Italien; besondere
Vorträge über Lionardo und Rembrandt, auch
über die Niederländische Malerei; eine Führung
durch das Kaiser-Friedrich-Museum; verschiedent-
liche Übungen, endlich sogar Übungen im An-
schluß an Goethes Schriften zur bildenden Kunst.
Und damit schließt das, was die Universität dem
angehenden Kunsthistoriker bietet. Es sei
meilenferne von mir, irgendwie den Wert oder
die Güte dieser Vorlesungen und Übungen an-
zuzweifeln. Im Gegenteil, ich bin wie der
junge Leutenant von der Frau — fest davon
überzeugt, daß sie in ihrer Art das Beste sind,
was man hat! Aber sie scheinen mir nicht
ganz zu genügen, oder am untauglichen Objekt
vollzogen zu werden. Irgendwelche anderen
Lehrinstitute zu besuchen, ist nämlich für den
werdenden Kunstforscher nicht erforderlich. Ja —
es ist sogar möglich, daß es ihm verboten ist.
Es ist fraglich, ob der Kunsthistoriker zugleich
auf der technischen Hochschule immatrikuliert
sein darf und dort Vorträge über Stillehre und
Architektur hören kann. Irgendwelche kunst-
gewerblichen Vorträge oder Übungen hört er
sicherlich ebensowenig. Niemals kommt er in
ein Atelier. Die Anstellung eines Zeichenlehrers
für die Studierenden ist noch in jüngster
Zeit abgelehnt worden. Die paar Epochen,
mit denen sich an der Universität die Kunst-
geschichte befaßt, sind aufs engste umgrenzt.
Die Paradepferde sind die italienische Früh- und
Hoch-Renaissance, ebenso die Zeit Dürers und
Holbeins. Auf anderer Seite die Zeit Rembrandts
und van Eyks. Aber man denke nicht etwa,
daß nun ein Gesamtbild der künstlerischen
Kultur jener Tage gegeben wird. In Betracht
kommt zuerst die Malerei, zu zweit die Plastik,
ganz gering nur die Architektur. Auch die
195
*) Wir geben diesem Aufsatz Raum, ohne uns indessen mit den darin vertretenen Ansichten in Übereinstimmung zu befinden. Die
Verhältnisse liegen denn doch heute vielfach schon ganz anders! Das interessante Thema wollen wir jedenfalls zur Diskussion stellen,
und es wäre wertvoll, wenn aus den Kreisen der Kunsthistoriker selbst dazu das Wort ergriffen würde. Die Redaktion.