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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Nowak, Karl Friedrich: Die Heimatstadt als Kunsterzieherin
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Giesecke, Albert: Kunstgewerbliches aus Ostasien
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0514

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DIE HEIMATSTADT ALS KUNSTERZIEHERIN

Von ihrem Werk, das täglich vor dem Blick
der Stadtwanderer steht, strömt in sie selbst das
Lied der Formen, ein Teil von der bleibenden
und also nachwirkenden Kunst jener Großen
und mit der dauernden Erziehung allmählich
die Sicherheit der Entscheidung. Soll man noch
von Veronas brunnengeziertem Marktplatz, von
den Arkaden, vom Munizipium mit eckig schlan-
kem Turm, von der unverwischbaren Silhouette
dieser Szenerie Romeos reden? Oder von Vene-
digs Schönheitskult, täglich offenbar und ein-
dringlich nah jedem zerlumpten Jungen, der mit
nackten Sohlen zwischen den Tauben von San

Marco herläuft und statt eines Gassenhauers
Arien trällert. . . Soll man von Brügge reden,
von seinen stummen Beguinenklöstern, von seinen
spiegelnden Kanälen und von der schwärme-
rischen, verhallenden Trauer, die sie begleitet...
All das lebt, erzieht und dichtet in uns, die wir
jeder unser besonderes Erbteil vom Heimatboden
mit uns nehmen, wenn wir auf Wanderschaft
gehen. Und stehen dann auch vor den frem-
den Schätzen, durchweht vom Schönheitshauch
auch fremder Kultur, mühelose Aufnehmer und
Begreifer ihrer Werte, — und gleichwohl nicht
verführt, sie zu überschätzen . . .

Abb. 1. BRONZESPIEÜEL

Ostasien. 8. Jahrh.

Kunstgewerbliches aus

OSTASIEN.

Im ersten Heft der Kunstwelt hatten wir
einige japanische Lackarbeiten, aus dem Besitz
der Ostasiatischen Kunstsammlung in Berlin ab-
gebildet und zwar solche aus dem 13.—17 Jahr-
hundert.

Um das Bild abzurunden, möchten wir hier einige
frühere Arbeiten anschließen, die uns alsbald auf
das Gebiet älterer chinesischer Kunst führen werden.
Gerade die Lackkunst ist es, die uns neben der
Keramik eine Vorstellung von dem Geschmack
der ostasiatischen Völker zu geben vermag.

In das 12. Jahrhundert führt uns ein prächtiges

Goldlackkästchen, auf dessen Deckel der chinesi-
sche Kaiser Wu-Wang, der Begründer der Chou-
Dynastie, dargestellt ist, wie er in reicher Hof-
tracht, mit dem Szepter in der Hand, zum
Grabe seines Vaters geht, hinter ihm ein Diener
mit dem Baldachin und ein zweiter mit der Laute.
Sie bewegen sich durch eine felsige Parklandschaft,
die ein Gebirgsbach durchströmt, eine Landschaft,
wie sie allen Japanreisenden und vor allen denen,
die Kyoto besucht haben, bekannt sein wird.
Auf den Seiten des Kästchens setzt sich die
Darstellung fort, und wir sehen dort den Kaiser
im Gebet vor dem Grabe seines Vaters knieen.
Die Bilder sind in wundervollem sorgfältigen
Goldlack ausgeführt, aus dem schwarzen Grund

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