HÄUSER DER FIRMA C. H. HAAKE-BREMEN unter Verwendung eines alten
Giebels für das linke Haus. ABBEHUSEN U. BLENDERMANN B.D.Ä. BREMEN
K
ARL SCHÄFER
VON FRIEDR. SEESSELBERG.
')
Soweit wir nur in der Geschichte der
Kulturvölker zurückschauen können, hat stets
eine idealistische mit einer materialistischen Welt-
anschauung im Kampfe gelegen; und jenachdem
im Zeitgeiste das Eine oder das Andere, das
*) Aus der jetzt in Buchform unter dem Titel „Karl Schäfer
als genialer Mensch“ erschienenen Rede des Verfassers, die er bei
der Übergabe der von Peter Breuer geschaffenen Büste Karl Schäfers
in der Kgl. Technischen Hochschule zu Berlin hielt.
Idealistische oder das Materialisti-
sche, vorwaltete, hat auch die Kunst
im Dienste des Einen oder des
Anderen — oder aller beider —
gestanden. Mit anderen Worten:
die Kunst beruhte entweder auf
dem Momente der Kultur oder
dem der Zivilisation, oder auf
beiden zugleich.
So — um der Betrachtung
unserer eigenen Kunst ein Beispiel
aus dem Altertum voraufzuschicken
— ist die griechische Kunst in der
Hauptsache eine vom Idealismus
getragene, also eine auf Kultur
gegründete, gewesen; während die
römische, wegen derstarken materia-
listischen Triebe in diesem Welt-
und Handelsvolke, sich ganz
wesentlich auf dem Fundamente
der Zivilisation erhob.
Was nun demgemäß unsere
eigene Geschichte anbelangt, so ist
auch darin solch ein durch die
Jahrhunderte gehender Wechsel
sehr wohl der Erkenntnis zugäng-
lich, wenn auch eine ausführliche
Arbeit hierüber noch aussteht. Je-
doch liegt es auch ohne eine solche
schon auf der Hand, daß jenes
Zeitalter, in welchem Schäfer lebte,
sich von dem voraufgegangenen,
welchem Goethe, Schiller, Kant,
Schinkel ihr Gepräge gaben, seiner
Geistesrichtung nach völlig unter-
schied. Denn während die Epoche
Goethes und Kants vorwaltend auf
dem Idealismus beruhte und auf eine
Wiedergeburt des Kulturellen hin-
auskam, folgte nun ein Zeitabschnitt
des Materialismus, der — eingeleitet
durch die großen Geschichtswerke
und durch den Aufschwung der
Naturwissenschaften — die Technik,
den Verkehr, die moderne Sozial-
politik, überhaupt alles Wirtschaft-
liche mit sich heraufführte und
notwendig eine Kunst, insbesondere eine Bau-
kunst von stark zivilisatorischem Einschläge im
Gefolge hatte. Dieser seither eingetretene Kampf
zwischen der Kultur und der Zivilisation unseres
Volkes — zwischen den Momenten der Religion,
der Kirche, der Philosophie, des Schöngeistes-
tumes aller Art auf der einen Seite, und der
Technik, der Wirtschaftlichkeit, des Verkehrs
und des Handels auf der anderen Seite — wird
auch durch die von diesen beiden Lebensgebieten
abhängige Baukunst heutzutage so deutlich wider-
410
Giebels für das linke Haus. ABBEHUSEN U. BLENDERMANN B.D.Ä. BREMEN
K
ARL SCHÄFER
VON FRIEDR. SEESSELBERG.
')
Soweit wir nur in der Geschichte der
Kulturvölker zurückschauen können, hat stets
eine idealistische mit einer materialistischen Welt-
anschauung im Kampfe gelegen; und jenachdem
im Zeitgeiste das Eine oder das Andere, das
*) Aus der jetzt in Buchform unter dem Titel „Karl Schäfer
als genialer Mensch“ erschienenen Rede des Verfassers, die er bei
der Übergabe der von Peter Breuer geschaffenen Büste Karl Schäfers
in der Kgl. Technischen Hochschule zu Berlin hielt.
Idealistische oder das Materialisti-
sche, vorwaltete, hat auch die Kunst
im Dienste des Einen oder des
Anderen — oder aller beider —
gestanden. Mit anderen Worten:
die Kunst beruhte entweder auf
dem Momente der Kultur oder
dem der Zivilisation, oder auf
beiden zugleich.
So — um der Betrachtung
unserer eigenen Kunst ein Beispiel
aus dem Altertum voraufzuschicken
— ist die griechische Kunst in der
Hauptsache eine vom Idealismus
getragene, also eine auf Kultur
gegründete, gewesen; während die
römische, wegen derstarken materia-
listischen Triebe in diesem Welt-
und Handelsvolke, sich ganz
wesentlich auf dem Fundamente
der Zivilisation erhob.
Was nun demgemäß unsere
eigene Geschichte anbelangt, so ist
auch darin solch ein durch die
Jahrhunderte gehender Wechsel
sehr wohl der Erkenntnis zugäng-
lich, wenn auch eine ausführliche
Arbeit hierüber noch aussteht. Je-
doch liegt es auch ohne eine solche
schon auf der Hand, daß jenes
Zeitalter, in welchem Schäfer lebte,
sich von dem voraufgegangenen,
welchem Goethe, Schiller, Kant,
Schinkel ihr Gepräge gaben, seiner
Geistesrichtung nach völlig unter-
schied. Denn während die Epoche
Goethes und Kants vorwaltend auf
dem Idealismus beruhte und auf eine
Wiedergeburt des Kulturellen hin-
auskam, folgte nun ein Zeitabschnitt
des Materialismus, der — eingeleitet
durch die großen Geschichtswerke
und durch den Aufschwung der
Naturwissenschaften — die Technik,
den Verkehr, die moderne Sozial-
politik, überhaupt alles Wirtschaft-
liche mit sich heraufführte und
notwendig eine Kunst, insbesondere eine Bau-
kunst von stark zivilisatorischem Einschläge im
Gefolge hatte. Dieser seither eingetretene Kampf
zwischen der Kultur und der Zivilisation unseres
Volkes — zwischen den Momenten der Religion,
der Kirche, der Philosophie, des Schöngeistes-
tumes aller Art auf der einen Seite, und der
Technik, der Wirtschaftlichkeit, des Verkehrs
und des Handels auf der anderen Seite — wird
auch durch die von diesen beiden Lebensgebieten
abhängige Baukunst heutzutage so deutlich wider-
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