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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Winter, Gotthard: Meissner Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0936

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Meissner Porzellan, von
PROFESSOR DR. GOTTHARD
WINTER-MEISSEN.

Die Königlich Sächsische Porzellanmanufaktur
Meißen hat vor zwei Jahren das Fest ihres
zweihundertjährigen Bestehens gefeiert. Sie ist
nicht nur die Mutter des europäischen Porzellans,
sondern auch die Urheberin der Feinkeramik
wenigstens in Deutschland und wahrscheinlich
die älteste, ununterbrochen in Betrieb gewesene
Fabrik der alten Welt.

Das aus Anlaß der Jubelfeier von der Ad-
ministration der Manufaktur herausgegebene
Prachtwerk entrollt vor uns die interessante
zweihundertjährige Geschichte der Technik und
Chemie, der Keramik, der Kunst und des Kunst-
gewerbes in Mitteleuropa, der sächsischen Finanz-
wirtschaft und Fürsorge für das Arbeiterwohl:
im engen Rahmen der
Tätigkeit der Manufaktur
sehen wir ein Gesamt-
bild der wissenschaft-
lichen, künstlerischen,
wirtschaftlichen, sozial-
politischen Arbeit ganz
Deutschlands und blicken
bis auf die Wurzeln der
Wohlhabenheit und Kul-
tur des Königreichs
Sachsen.

Ein solches Urkunden-
buch der Industrie und
eine derartige Familien-
geschichte einer großen
vorbildlichen Fabrik lehrt
uns, wie verfehlt es ist,
als Geschichte nur die
politischen und kriegeri-
schen Ereignisse zu be-
trachten, während sie in
Wahrheit ihren eigent-
lichen Ursprung und
ihren wahren Wert hat
in der Intelligenz und
der Arbeit der Völker.

Die große Politik ist
gewissermaßen nur die
Witterung, unter deren
Einfluß sie stehen. Diese
wirft auch auf die Tätig-
keit der Porzellanmanu-
faktur Meißen Licht und
Schatten und hemmt und
fördert ihr Gedeihen, aber
weder der Siebenjährige
Krieg, noch die napoleo-
nische Sturmflut haben

ihr ernstlich zu schaden vermocht, sie hat viel
stärker gelitten unter den Wechselfällen des Kunst-
gewerkes und Stils und unter den Schwankungen
des schöpferischen Vermögens der Nation. Trotz
allen Widersprüchen hat Johann Friedrich Böttger
als der glückliche Erfinder des weißen echten
Hartporzellans zu gelten. Unter seiner Leitung
kommt aber die Manufaktur weder zur tech-
nischen noch zur künstlerischen Vollendung,
es ist die Epoche des Experimentierens und
Tastens, die sich im Äußerlichen an die chine-
sischen Originale oder an den zeitgenössischen
Barockstil anschließt, die gewünschten wirt-
schaftlichen Erfolge jedoch noch nicht bringt.

Ihre erste große Blütezeit erlebt die Manu-
faktur im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts,
in dem sie den eigentlichen Porzellanstil schuf,
das weltberühmte Vieux Saxe erzeugte, eine
heute kaum zu begreifende Fülle von Kunst-

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