OSTTOR VON CITTADELLA (IM VENETIANISCHEN)
LITHOGRAPHIE VON WILHELM KIMBEL-BERLIN
Ein deutscher Kunsthand-
werker.
Die Prinzipien, unter denen einst das blühende
Kunsthandwerk des Mittelalters zu dem werden
konnte, was es wirklich wurde und was es kunst-
und kulturgeschichtlich für uns bedeutet, sind, wie
jeder weiß, für die Gegenwart gänzlich verloren
gegangen. Ein Kunsthandwerk in dem Sinne,
wie es z. B. Peter Vischer, Veit Stoß, später
— in der Möbelkunst — Chippendale ausübten,
und das in gewissem Sinne doch bis in die vor-
märzliche Zeit hinein mit Glück gepflegt wurde,
war seit dem Beginn des reintechnischen Zeit-
alters völlig erstorben — erst jetzt scheint es
langsam und schüchtern wieder einen Boden ge-
winnen zu wollen.
Innenarchitektur und Kunstgewerbe sind heute
meist von Tendenzen abhängig, die ihrem Wesen
stracks zuwiderlaufen, ihre zeitgemäße Entwicklung
hemmen. Es ist so, daß bei uns irgend ein gut
beleumundeter Künstler auftritt, der vielleicht von
irgend einem anderen Fache herkommt, aber doch
kühnlich ins Kunsthandwerk steigt, d. h. er macht
die Entwürfe und andere führen sie aus. Er
kommt also nicht selber vom Handwerk, er be-
herrscht die rein technische Arbeit nicht selbst,
wie es doch für ein gedeihliches kunstgewerbliches
Schaffen nötig wäre. Der Zeichner ist heutzu-
tage der maßgebende (abgesehen von einigen Werk-
stätten, in denen die alten Grundlagen des Kunst-
handwerks wieder Geltung gewinnen wollen).
Dadurch kommt viel Künstelei in die Handwerks-
kunst. So haben manche eine Biedermeier-Nach-
ahmung diktiert, bei der sie weiter nichts zu tun
brauchten, als die Innenarchitekturen alter
thüringischer Schlösser und Privathäuser nach-
zuzeichnen, so haben andere das Schema F des
viereckigen Kastenmöbels aufgestellt — zur all-
gemeinen Nachbetung.
Der Kunsthandwerker von heute müßte genau
wie in der goldenen Zeit des Kunstgewerbes eben
wieder vom Handwerk selbst ausgehen; denn er
allein, der praktische Arbeiter, kennt durch die
Übung das Material, das bei einer Leistung als
das richtigste in Betracht kommt, er kennt die
Gesetze seiner Bearbeitung und die Möglichkeiten
seiner Wirkung. Freilich muß ihn dabei ein
sicherer künstlerischer Instinkt, eine Befähigung
zum Individualisieren seines Werks — soweit es
der Betrieb von heute nun einmal zuläßt — be-
herrschen, das Gefühl des Künstlers muß seine
Handwerkerhand leiten. Wenn wir die Kunst-
gewerbler weniger akademisch, sondern von Hause
aus mehr handwerklich erziehen, wird mit der Zeit
vielleicht ein neues blühendes Kunsthandwerk er-
stehen, das stark und kräftig werden kann und
neue Entwicklungen bringt.
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LITHOGRAPHIE VON WILHELM KIMBEL-BERLIN
Ein deutscher Kunsthand-
werker.
Die Prinzipien, unter denen einst das blühende
Kunsthandwerk des Mittelalters zu dem werden
konnte, was es wirklich wurde und was es kunst-
und kulturgeschichtlich für uns bedeutet, sind, wie
jeder weiß, für die Gegenwart gänzlich verloren
gegangen. Ein Kunsthandwerk in dem Sinne,
wie es z. B. Peter Vischer, Veit Stoß, später
— in der Möbelkunst — Chippendale ausübten,
und das in gewissem Sinne doch bis in die vor-
märzliche Zeit hinein mit Glück gepflegt wurde,
war seit dem Beginn des reintechnischen Zeit-
alters völlig erstorben — erst jetzt scheint es
langsam und schüchtern wieder einen Boden ge-
winnen zu wollen.
Innenarchitektur und Kunstgewerbe sind heute
meist von Tendenzen abhängig, die ihrem Wesen
stracks zuwiderlaufen, ihre zeitgemäße Entwicklung
hemmen. Es ist so, daß bei uns irgend ein gut
beleumundeter Künstler auftritt, der vielleicht von
irgend einem anderen Fache herkommt, aber doch
kühnlich ins Kunsthandwerk steigt, d. h. er macht
die Entwürfe und andere führen sie aus. Er
kommt also nicht selber vom Handwerk, er be-
herrscht die rein technische Arbeit nicht selbst,
wie es doch für ein gedeihliches kunstgewerbliches
Schaffen nötig wäre. Der Zeichner ist heutzu-
tage der maßgebende (abgesehen von einigen Werk-
stätten, in denen die alten Grundlagen des Kunst-
handwerks wieder Geltung gewinnen wollen).
Dadurch kommt viel Künstelei in die Handwerks-
kunst. So haben manche eine Biedermeier-Nach-
ahmung diktiert, bei der sie weiter nichts zu tun
brauchten, als die Innenarchitekturen alter
thüringischer Schlösser und Privathäuser nach-
zuzeichnen, so haben andere das Schema F des
viereckigen Kastenmöbels aufgestellt — zur all-
gemeinen Nachbetung.
Der Kunsthandwerker von heute müßte genau
wie in der goldenen Zeit des Kunstgewerbes eben
wieder vom Handwerk selbst ausgehen; denn er
allein, der praktische Arbeiter, kennt durch die
Übung das Material, das bei einer Leistung als
das richtigste in Betracht kommt, er kennt die
Gesetze seiner Bearbeitung und die Möglichkeiten
seiner Wirkung. Freilich muß ihn dabei ein
sicherer künstlerischer Instinkt, eine Befähigung
zum Individualisieren seines Werks — soweit es
der Betrieb von heute nun einmal zuläßt — be-
herrschen, das Gefühl des Künstlers muß seine
Handwerkerhand leiten. Wenn wir die Kunst-
gewerbler weniger akademisch, sondern von Hause
aus mehr handwerklich erziehen, wird mit der Zeit
vielleicht ein neues blühendes Kunsthandwerk er-
stehen, das stark und kräftig werden kann und
neue Entwicklungen bringt.
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