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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Jolowicz, Julie: Die Farbe des Lebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0940

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DIE FARBE DES LEBENS

zeugenden Wärme zu eigen gab. Bei den Porträts
mußte natürlich die in der Tracht herrschende
Vorliebe bestimmend wirken. Giuliano di Medici
mag in Wahrheit im tief roten Sammetgewande
durch die Straßen von Florenz geschritten sein,
wie ihn Botticelli malte. Besonders gereiftere
Männer scheinen den Purpur gern für ihr Kleid
gewählt zu haben, vielleicht aus einem unbe-
wußten Herrschergefühl heraus, weil sie das Leben
unter ihren harten Willen gezwungen hatten.
Lorenzo Lotto zeigt auf einem symbolischen Bilde
der drei Lebensalter den Greis im bräunlich-roten
Kleide, während man auf einem Porträt des
Luca Signorelli einen älteren Mann in strahlend
scharlachnem Wams und gleicher Kappe sehen
kann. Den ganz Großen unter den Malern
wurde die lebendigste Farbe oft das technische
Ausdrucksmittel für feine Details, für die lyrische
Ausnutzung einer Stimmung oder die Verstärkung
einer sinnlichen Wirkung. Raffael fügt das Rot
der leisen Harmonie seiner Bilder ein, wie man
wohl einen prunkenden Edelstein in matt schim-
merndes Geschmeide setzt: unter einem reich
gestickten Schal erscheint bei der Madonna della
Sedia ein rosa Ärmel, bei der Sixtinischen Madonna
lugt ein rotes Unterkleid zwischen dem faltigen
Obergewande hervor und der zurückgeschlagene
goldgelbe Mantel des heiligen Joseph läßt einen
Streifen purpurnen Futters sehen. Tizian schöpft
einmal das Unheimliche, Leidenschaftliche der
Blutfarbe in einem leider vernichteten, nur in
Kopien und Strichen erhaltenen Gemälde aus,
als er dem Mörder auf dem Bilde mit der Dar-
stellung der Ermordung des heilig gesprochenen
Dominikanermönches Petrus Martyr einen grell
aufflammenden, roten Schurz malte. Reichlich
verwendet Correggio ein bräunliches Rot, das
etwas von der Sattheit und dem sonoren Kolorit
der Herbstblätter hat. Paolo Veronese wieder
braucht es in hell leuchtenden Tönen, um seine
Hymnen auf fröhlichen Lebensgenuß zu malen.
Es gibt überhaupt kaum eine Farbe, deren
malerischer Charakter so wandlungsfähig ist, und
wenige, die dem Künstler einen solchen Reich-
tum an Stimmungswerten und Pikanterien gönnen.
Ein greller Aufschrei, helle Fröhlichkeit, Schwer-
mut, gebändigte Leidenschaft oder eine süß-
anmutige Keckheit, das alles kann aus dem
roten Farbton geboren werden, wenn er in Dur
oder Moll erscheint, ungebrochen aufgetragen,
mit aufreizenden Tönen erhellt, oder durch Bei-
mischung düsterer Tinten gedämpft wird.

Unter den Rokoko-Malern ist besonders Watteau
interessant durch die Behandlung der roten Farb-
töne, die auf fast allen seiner Bilder das Kolorit
stützen, oft auch bestimmt sind, eine Haupt-
person aus der Gesamtheit herauszuheben. Auf
dem Gemälde „Die französische Komödie“ steht

VASE Entwurf: Prof. ACHTENHAQEN

Ausführung: Königliche Porzellanmanufaktur Meißen

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