DER KAISER FRIEDRICH-MUSEUMS-VEREIN
Dienstmagd ein Brief überbracht, die stotternd
und mit großer Anstrengung die Aufschrift
zu entziffern versucht und die von häuslicher
Tätigkeit noch feuchte Linke an der Schürze
abwischt, während die Schreiberin überrascht
aufblickt und mit fragender Gebärde sich nach
dem Kinn faßt. Von Terborch (ebenfalls
im Besitz des Herrn Huldschinsky) eine Jung-
frau in bäuerlicher Tracht und mit nicht sehr
schlauem Gesichtsausdruck, die von det An-
strengung des Lesens auszuruhen scheint. Die
Harmonie und den Schmelz der Färbung auf
diesen beiden Gemälden zu schildern, wird,
glaube ich, niemand recht imstande sein.
Schließlich sei noch die Rede von einem
äußerst humoristischen Bilde von Pieter Brueghel
dem Aelteren (der im Kaiser Friedrich-Museum
noch nicht vertreten ist) im Besitze der Frau
v. Kaufmann, auf dem dieser große Menschen-
kenner das Schlaraffenland malt. Hier sieht
man die Brote wie Kakteen aus dem Boden
schießen, geröstete Spanferkel und gekochte
Eier eßfertig herumspazieren (nur die gebrate-
nen Tauben nicht fliegen) und wie beim
„Tischlein deck dich" unter einem Baum drei
Fresser als Vertreter der Stände kostümiert,
zu einer Verdauungssiesta sich gelagert haben:
der dicke Bauernflegel, der Ritter und der
Patriziersohn, dem bereits die Weste zu platzen
droht (man beachte, wie meisterhaft diese
Figuren in Aufsicht und Verkürzung gezeichnet
sind). A. G.
DIE GROSSE BERLINER KUNST-
AUSSTELLUNG 1914.
Im ganzen Wesen des Impressionismus
lag es, daß der motivische Inhalt eines Bildes
beinahe zur Nebensache wurde. Der Gegen-
stand war, schon aus Gründen der Ueber-
sättigung nach der alten Historien- und Genre-
malerei, an und für sich der gleichgültigere
Teil der Aufgabe; es galt nur, ihn auf seine
rein farbigen Qualitäten zu untersuchen und
PORTRÄTBÜSTE DES DIREKTORS DES GG. MATTES-MÜNCHEN
BAYR. NATIONAL-MUSEUMS HANS VON STEGMANN f
686
Dienstmagd ein Brief überbracht, die stotternd
und mit großer Anstrengung die Aufschrift
zu entziffern versucht und die von häuslicher
Tätigkeit noch feuchte Linke an der Schürze
abwischt, während die Schreiberin überrascht
aufblickt und mit fragender Gebärde sich nach
dem Kinn faßt. Von Terborch (ebenfalls
im Besitz des Herrn Huldschinsky) eine Jung-
frau in bäuerlicher Tracht und mit nicht sehr
schlauem Gesichtsausdruck, die von det An-
strengung des Lesens auszuruhen scheint. Die
Harmonie und den Schmelz der Färbung auf
diesen beiden Gemälden zu schildern, wird,
glaube ich, niemand recht imstande sein.
Schließlich sei noch die Rede von einem
äußerst humoristischen Bilde von Pieter Brueghel
dem Aelteren (der im Kaiser Friedrich-Museum
noch nicht vertreten ist) im Besitze der Frau
v. Kaufmann, auf dem dieser große Menschen-
kenner das Schlaraffenland malt. Hier sieht
man die Brote wie Kakteen aus dem Boden
schießen, geröstete Spanferkel und gekochte
Eier eßfertig herumspazieren (nur die gebrate-
nen Tauben nicht fliegen) und wie beim
„Tischlein deck dich" unter einem Baum drei
Fresser als Vertreter der Stände kostümiert,
zu einer Verdauungssiesta sich gelagert haben:
der dicke Bauernflegel, der Ritter und der
Patriziersohn, dem bereits die Weste zu platzen
droht (man beachte, wie meisterhaft diese
Figuren in Aufsicht und Verkürzung gezeichnet
sind). A. G.
DIE GROSSE BERLINER KUNST-
AUSSTELLUNG 1914.
Im ganzen Wesen des Impressionismus
lag es, daß der motivische Inhalt eines Bildes
beinahe zur Nebensache wurde. Der Gegen-
stand war, schon aus Gründen der Ueber-
sättigung nach der alten Historien- und Genre-
malerei, an und für sich der gleichgültigere
Teil der Aufgabe; es galt nur, ihn auf seine
rein farbigen Qualitäten zu untersuchen und
PORTRÄTBÜSTE DES DIREKTORS DES GG. MATTES-MÜNCHEN
BAYR. NATIONAL-MUSEUMS HANS VON STEGMANN f
686