Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

DOI Artikel:
Palatinus, Wilhelm: Der Storche-Waddel: ein Lebensbild aus der Pfalz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0086
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
behaglich, als die dicke Schwarze meinen Herzenserguß auflas und nach
einem lustig dankenden Dlick zu mir in den Busen schob. So gings eins
Zeitlang weiter; ungeschickt wie ich bin, brachte ich nur heraus, daß die
Dlonde die Sochter eines Stadtschreibörs war, die Schwarze der Sproh
des „Delikatessen- und Spirituosenhauses Jean-Louis Gatterbaum"!
Hol's der Teusel — für mich als eingeschworenen, heilig überzeugten
Abstinenz- und Degetarismuspropheten einfach undenkbar!

Es sollte aber ganz anders kommen, wi-e bei mir so gebräuchlich.
Wsnns mal Goldstücke regn-et, bekomm ich davon doch nur Löcher in den
Kopf, und sind ich mal eine warm-e Suppe, so fehlt mir gewiß der Löffel
dazu! — Doch (wehrte er lächelnd meinen Trostverfuch ab) ich bin dabei
noch immer satt geworden" — und da war er wieder ganz der alte seelen-
vergnügte Schuliunge.

„Freilich", schmunzelte er weiter, „die walkürenhafte vermeintliche
ätlrsula machte mir zusehends starke Avancen, und wenn ich auch bis über
meine langen Ohren in die zart-e Blonds verliebt war, so blieb ich doch
nicht ganz unempfindlich gegen d-ie schwarze Sirene; als Mannsbild und
geborener Poet ist man halt doch so ein bihchen polygonal veranlagt" (er
meinte ofsenbar „polygam" — übrigens gibt auch ersteres einen gutsn
Sinn, wenn man an das bekannte „dreieckige Derhältnis" und an weiters
geometrisch-erotische Kombinationsmöglichkeiten denkt). Waddel machte
eine träumerische Pause, wischte etwas an den Augen h-erum und suhr
fort: „Ieht, Alterchen, pah auf:

Ietzo nahet sich das Datum
Wo vollendet wird mein Fatum.

Wo mir vo-rne, rechts und links
tZeden Ausweg sperrt die SphinL,

Die mit ihren Schicksalspfoten
Knüpft und löst des Lebens Knoten.

Gut gedacht, aber mangelhaft ausgedcückt — nicht wahr? 2ch mache jetzt
übrigens weit elegantere Derse — du solltest mal meine „Gssammelten
Gedichte" lesen." Er griff schon in die Drusttasche nach einem voluminös-en
Manuskript — ich winkte aber rechtzeitig ab und machte auf die Ahr auf-
merksam, die schon gegen Mitternacht zeigte. Rssigniert knöpfte er wisder
zu, gab sich einen Ruck und sagte: „Längstens 11''- Ühr hätte ich bei meiner
Hilde sein sollen — nun gehts in einem Aufwaschen hin, den Kopf wirds
ja nicht kosten! — Also, ich kam endlich darauf, daß die Dlonde gegen alle
Daturgefetze Ursula hieß, und daß ich seither verfehentlich stets die
schwarze Hilde angedichtet hatte. Das wäre ja noch nicht so rettungslos
gewesen, aber eines schönen Sonntags nachmittags auf dem Eisweiher
kams zum Klappen. Ich durfte den zwei Mädels die Schlittschuhe an-
schnallen, wozu ich mir bei meinem blonden Heiligsnbild mit geheimen
Wonneschauern beträchtlich Zeit ließ; bei der anderen gings schon rascher.
Die Mädchen sauften lustig davon, während- ich mit dem Anprobieren von
Mietschlittschuhen für mein unkurantes Fußformat aufgehalten war.
Plötzlich ein Krachen, Gefchrei und Gelauf, es war ein-e Parti-e im Eis
eingebrochen. Jch natürlich zu Hilfe eilend, bleibe an einem angefrors-
nen tzosenknopf hängen und purzle mit Wucht auf meine ohnehin etwas

70
 
Annotationen