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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Palatinus, Wilhelm: Der Storche-Waddel: ein Lebensbild aus der Pfalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0085

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die gehörige Diichse schüttete und beim Dersuch des Verbergens übecdies
eine Flasche Schwefelsäure uinstieß. Waddel akzeptierte ruhig den Lauf-
paß, bedankte sich noch gerührt für alles genossene Guts, dann zog er mit
seinem Dündelchen getrost in die Welt. Er fand auch sein bescheidenes
Anterkommen, bald als Schreib-, bald als Gärtnergehilfe oder als Kell-
ner, wobei er ein fatales Geschick entwickslte, Geschirr zu zerbrechen, die
Gäste mit Sauce zu begießen und beim Addieren sich zu seinen Angunsten
zu irren; zudem war seinsr Gemütsart das Trinkgeldnehmen so unaus-
stehlich, daß er bald wieder ausriß und sein Glück bei einer Schauspieler-
truppe versuchte, wo er Diener und sonstiges „Dolk" mimte und den Kol-
legen sein bißchen Gage pumpte — auf Dimmerwiedersehen natürlich.
Schließlich geriet er wieder in tieferes Pech; hilfsbereit wie immer wollte
er bei einer Probe den Hamlet von der offengelasfenen Geisterversenkung
zurückreihen, blieb aber dabei mit seinen „Kiesnachen" an einer Latte
hängen und purzelte selber in die Grube. Zwei Kopflöcher und ein Dein-
bruch waven die Folge mit mehrwöchigem Spitalaufenthalt. „Msine
Hirnschachtel", meinte er schmunzelnd, „hat den Puff ganz gut vertragen
— es hat nur etwas hohl geklungen." Die Spitalpflege bekam ihm ganz
ausgezeichnet, und bei ungewohnt guter Kost konnte er nach Herzenslust
seiner Lese- und Dichterwut frönen und manche Dildungslücke halbwegs
ausfüllen. Dei der Entlassung bedankte er sich tausendmal und bedauerte
nur, daß nicht ein paar weitere Knochenbrüche ein längeres Dableiben er-
möglichten.

Dun gings wieder ans Suchen und mühsame Herumplätschern in
allerlei Dienst- und Derufspfützen, bis ihn endlich eine Dotlandung nach
P. führte, und zwar als angehenden Duchhalter und Korrespondsnten in
einer Schuhfabrik. Diesmal schien es etwas Solides, Dauerndes zu wer-
den, trvtz einiger Streiche, die ihm auch dapassierten und die meistmit seinem
allzuguten Herzen irgendwie zusammenhingen. Aber jetzt kam die Klappe
seiner Schicksalsfalle zum Einschnappen. An seinem Kontorsenstsr gingen
täglich aui dem Weg zur Kochschule zwei Bürgersmädchen vorüber, ge-
rade in dem Alter, wo sogar der Leufel hübsch gewesen sein soll; beson-
ders die jüngere, zierliche mit dsm blonden Gretchenkopf war — mit
Schcpenhauer zu reden — der richtige „Knallefsekt" der listigen Datur;
die andere, etwas ältere, schwarzhaarige und massivere hatte an Schön-
heit nicht viel mehr, als was eben mit dem besagten Deufelsalter und der
„Daturlist" zusammenhängt. Es dauerte nicht lange, bis sich ein Kreuz-
feuer von Dlicken zwischen Straße und Kontorfenster entwickelte, und bald
flatterte auch ein glühendes Gedicht „An Hilde" auf die Mädels herab.
Doch lassen wir nun Freund Waddel selbst zu Wort kommen:

„Weißt du, Alter, ich war immer ein bißchen tappig und schiefgewik-
kelt, ich wußte eigentlich nur von dem Adieurusen anderer Kochstuden-
tinnen, daß meine Zwei „Hilde" und „Arsula" hießen; Hilde, das konnte
doch nur die ätherische Dlondine sein mit dem zauberischen Mona-Danna-
Lächeln (er meinte die Mona Lisa), der grobschlächtige Dame Llrsula
mußte natürlich an der anderen hängen bleiben; zudem reiinte sich Hilde
so prachtvoll auf „Milds", „Dilde" und „Gefilde", während sich auf Llr-
sula absolut nichts reimen wollte. Hmmerhin war mirs gleich etwas un-

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