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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Grossmann, Rudolf: Heidelberg als moderne Fremdenstadt: wie es ist, und was sein sollte
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0217

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Heidelberg als moderne Zremdenstadl

Wie es ist, und was sein sollte

Von Dr. Rudolf Großmann

Dis zur Mederschrift dieser Zö'ilen — Snde September 1927 — hat
Heidelberg seit dem Jahresbeginn rund 160000 Fremde registriert, die
hier übernachtet haben, darunter gegen 30000 Ausländer. Mit diesen
Zahlen marschiert Heidelberg weitaus an der Spitze sämtlicher Plätzs
Südwestdeutschlands, ja, von einigen der ganz großen Städte abgesehen,
an der Spitze aller Fremdenorte des Reiches, auch die Weltüadeorte
Wiesbaden und Daden-Baden hinter sich lassend.

Warum? Die Lage der Stadt am Austritt eines engen Flußtales
in eine Ebene, umgeben von dichtbewaldeten Bergen, die schrofs und
unvermittelt nach der Ebens absallen, ist etwas an sich Schönes; Dau-
meister vergangener Jahrhunderte haben als Meister ihrer Kunst, sich
einsühlend in das von Aatur Glegebsne, Werke geschaffen, die den Aeiz
des Dildes um ein beträchtlich Stück erhöhen. Schlvß, OSrücke und Kirche,
die aus dem steilgiebeligen Gewimmel der Altstadt sozusagen als Einzel-
persönlichkeiten heraustreten, geben die besondsreNote. Die HoheSchule,
die älteste des lReiches, beherrscht noch immer das Wesen dieser Stadt,
während die Geschichte des ehedem hier residierenden Kurpfälzer Hofes
äls Anterton noch leise mitklingt. Den Dreiklang von üppig fpendender
Natur, künstlerisch einfühlender Daukunst und Geistesleben der glücklich
rekonstruierten Llniversität fanden vom OSeginn des vorigen Jahrhunderts
an zwei Generationen von Dichtern vor, die — zum Teil wiedsrum in
-Znsammenhang mit der Hohen Schule stehend — zu den Kündern un-
serer Stadt geworden sind von der ausgehenden -Zeit klassischer deut-
scher Dichtkunst an über OSeginn der romantischen Epoche und deren
OSlütezeit hinweg bis zu threm Ausklang. So ist Heidelberg zur Stadt
deutscher lRomantik geworden und als solche in der ganzen ODelt bekannt,
so bekannt, daß heute viele Zehntausende jedes Zahr zu ihr kommen,
Tausende davon sreudigen, bewegten, ja gläubigen Herzens an die einzige
Schönheit gerade dieses Flecks deutscher Erde.

Folgerungen: OSerg, Wald, OSrücke, Schloß, Kirche und Altstadt sind
heiliger Doden, sie gehörten alle miteinander als Gesamtheit unter ganz
besonderen Schutz- gestellt und alle Anstrengungen darauf gerichtet, daß
der böse -Zauber hählicher Flecken, Lis eine geschmacklfch ruchlose Zeit
hineingebracht, nach und nach, so wie -Zeft und Mittel es erlauben, auf
Okimmerwiedersehen ausgelöscht wird. Den Geist einer dahingegangenen
Epoche können wir nur im Herzen festhalten, doch abhängig vom Körper-
lichen, wie wir nun sinmal geschaffen sind, fühlen wir uns in der wohl-
erhaltenen Umgegend schneller und sicherer zurück in die maschinell un-
entwickelte, kulturell aber viel höher stehende Zeit der deutschen lRomantik.
Eines Künstlers Aufgabe wäre es, das entzückende, alte OSild zu erhalten,

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