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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Gutting, Willi: Die Magd von der Kästenburg: nach einer pfälzischen Sage
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0161

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Die Magd von der Kästenburg

Nach einer pfähischen Lage

Von Willi Gutting-'Lelmershelm (Pfal?)

Ehe sich ihr heißes Gesicht zu dem Wasser bog, strich ihre Hand über
seinen Spiegel, als bräche sie ihn auf und schöbe seinen Glanz wie eine
dünne Decke beiseite', dann schöpfte sie mit dem schmalen Gefäß ihrer
zusammengewölbten Hände das Labsal zu ihren Lippen empor. Und
wenn auch das Wasser in der Schale des Brunnens von ihrem Schatten
verdunkelt war, so tropfte es doch aus ihrsn Händen zurück, ein wenig
schimmernd, wie Perlen in ihre Truhe.

Seine Hand aber glättete wieder, was ihre verdorben hatte, sein N.ing
zog einen Streifen in die Fläche, und in dem dunklen Glanz schwammen
ihre helleren Gesichter nebeneinander und sie lächelten bei dem freund-
lichen Spiel. Und der Wald schloß sich um sie mit seinen frühlingshaften
Dlättern und sie küßten sich.

Lom Sattel aus sah er noch einmal zurück und die Magd grüßte ihren
Herrn, Len Hunker Robert, des Durgvogts Sohn, mit einem lachenden
Ruf. Winkend verschwand er im Gehölz. Elsbeth aber, die Magd, lief
auf flinken Fühen den Rest des steilen Pfades hinan und trug nicht schwer
an ihrem Packen: sie war im selben Sattel heraufgetrag-en worden, in
dem jetzt der Iunker die Armbrust spannte. Die schmale Pforte der Burg
nahm sie auf und verschloß sich hinter ihr.

Die Kästenburg war stark und mächtig genug, alle Stürme zu be-
stehen; sie verbarg sich nicht hinter Bergen und verzichtete auf den Schutz
heimlicher Täler, beschattet Vvm Wald. Sie trotzte auf vorgeschobenem
Posten, hinter sich die geschweiften Rücken der Höhen, vor sich das flache
Land. Dier seine Schattenspitzen aber wuchsen drüben aus dem Dunst
wie eine winkende Hand am Rand der Ebene: weit her kam ein Gruß
wie von ferne verwehten Glockenstimmen. Das war des Dischofs Heilig-
tum, der Dom im alten Speyer. Er war steil gereckt und ragend wie sie,
des Bischofs Kraft und Macht, und ihr verbunden im gleichen Stolz.
Was aber zwischen ihnen lag an Riedriggestelltem, trieb in unablässigem,
uraltem Haß auf die Durg zu, wie ein Meer an sein Ufer, und was es
ausspie an Gewalt, Bauernzorn und Söldnerwut, brach zu allen Zeiten
über sie herein wie die Brandung über den dampsenden Fels.

An einem Tage in jenem Frühling, in dem die Liebe des Herren zu
der Magd mit den Dlätt-ern sich entfaltete, kam die Dämmerung schwer
und traurig über die Berge, dah die Menschen unruhig wurden. Als
die Racht anbrach, brannte der Hof im Tal wie eine Fackel in furchtbarer
Lohe auf und entzündete sich riesenhaft am Geschrei und am Lärm der
Waffen. Die Durg war rot beschienen; aber sie stand wie immer und es
gab in ihrer Ruhe kein Zeichen, daß sie innen aufgeschreckte Herzen und
eiliges, verstörtes Leben bewahrte. Denn nun schien es lautlos, voll

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