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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Corwegh, Robert: Herbert Graß
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0200

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Herbert Graß

Von Dr. Robert Lorwogh-Homburg


Wie wir den Sinn des Lebens nicht in Worte fassen können, nicht weil
das Leben sinnlos wäre, svndern weil das Lebendige die Fessel des De-
griffes scheut, so ist das wahrhaft Künstlerische so sinn- und lebensvoll,
daß jede Deutung nur anzudeuten vermag.

Die Kunst eines Herbert Graß läßt sich daher nicht auf eins Formel
bringen. Die an sich schon recht ungeklärten Bsgriffe „Malerisch" und
„Zeichnerisch" tasten nur an der Oberfläche des Wesentlichen. 2n seinen
Mldnissen geht Graß scheinbar von der Farbe aus, und das Farbige ist
ihm immer interessant, ja noch mehr, es ist in gewissem Sinne dem Dar-
gestellten shmbolisch verbunden. Dennoch steht Graß einem reinen Im-
pressionismus fern, einer Kunst, die sich begnügt mit der, Wiedergabe
eines Sindrucks. Gr will auch die Form in Klarheit mit der Farbe ver-
mählen. Sie darf zwar nicht die Farbe in eine dienende Haltung drän-
gen, aber in ihr muß etwas vom ewigen Wesen des Dargestellten mit
in das Bildnis hineinschwingen. Seine Porträts erinn-ern nie an kolo-
rierte Zeichnung und doch scheint die Zeichnung ihnen das Knochengerüst
zu liesern. Sn dieser Strenge der Beobachtung der Einzelheit der Form
trägt der Künstler den Dank an seine Lehrstätte ab, an die Akademie der
Graphischen Künste in Leipzig, wo er 1902 bis 1907 studierte.

Was mit obigen Zeilen angedeutet werden soll, läßt sich in seinem
Selbstbildnis mit den Renetten-Uepfeln am leichtesten klarlegen. Jedes
Selbstbildnis glsicht dem Dekenntnis eines Dichters. Dor sich selbst tritt
der Künstler mit unbestechlichem Ernst und wägt seine innere Form an
dem Aeußeren. Graß ist Maler, „Augenmensch", Larum treten am
stärksten die „gefräßigen" Maleraugen, wie Dürer sie nennt, hervow
Sie beherrschen den Äusdruck und Sindruck. Wie ein leichtes Ornament
verteilen sich die graugrünen Blätter. und Früchte über den Hintergrund,
einen Himmel, der von hellgelb bis ins graublaue spielt. Gegen den
bräunlichen Teint steht das violette Hemd als Gegenfarbe stark hervor-
gehoben durch die goldbraune Kravatte. Die vorgestreckte Rechte reicht
dem Beschauer einladend und fordernd zugleich die Früchte. Ein unge-
zwungeneres Symbol für die Opferbereitfchaft und zwingende Kraft
jedes Künstlertums konnte kaum gefunden werden! Doch, indem ich dies
ausspreche, habe ich bereits die Deutung der Farben verlassen und stehe
mitten in der Erklärung der Zeichnung selbst. Lebendiges läßt sich nicht
trennen: Form und Farbe wurde hier lebensvolle Einheit.

Die gleiche Verknotung malerischen und zeichnerisch deutenden Wil-
lens finden wir in dem Porträt Marianne L. Sie lächelt uns mit ihren
lichtblauen Augen zu. Kleid und Gesicht gehen in der Deigefärbung
harmonisch zusammen und werden unterstrichen durch die Decke in ihrem
starken Ton von schwarz und sattgrün. Die Äebeneinanderstellung dieser

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