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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Kissinger, Rudolf: Die Metzelsupp!
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0213

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„Ein Mal", so erzählt mein Freund Schmidt, „hat mein Vater auch
geschlachtet. Ein Mal und nicht wieder. Er saß als Pfarrer drüben in dsr
Pfalz. Jm Dörflein war kein Metzgerladen. Das Fleisch mußte aus denr
nächsten Städtchen geholt werden, und der Weg war ziemlich weit.
.Frauchen, wir müssen schlachten, dann haben wir Würste, Schinken, Ge-
salzenes in reicher Fülle!' Die Pfarrfrau hatte Dedenken, aber sie gab
nach. Es wurde geschlachtet. Das Schwein war nicht allzugroß, aber
die Vachbarschaft, die Freundschaft war groß! (Zedes Haus, aus dem
inr Lause der letzten Iahre ein Topf mit Metzelsuppe und Würsten in das
Pfarrhaus getragen worden war, muhte natürkich — daran hatte der
Pfarrherr vorher nicht gedacht — jetzt einen ebensolchen Gruß aus dem
Pfarrhaus erhalten. Als am andern Morgen das pfarrherrliche Paar
den Rest der Würste betrachtets, waren beide Tsile einig: ein Mal ge-
schlachtet unö nie wieder!

So geht es ja nicht immer. Aber schlachtete ehedein im seitwärts
gelegenen Dörfchen etwa des Kurpfälzer Amts Lindensels dort im Oden-
wald ein Vauersmann, so war dies doch ein Ereignis, an dem die ganze
Freundschaft, das heiht Derwandtschaft, und damit also ein großer Teil
des Ortes regen Anteil nahm. Der Fall war wohl gar nicht so selten,
daß nach dem Schlachtfest von dem geschlachteten Schweine Loch recht
ansehnliche Stücke nicht mehr geräuchert zu werden brauchten. Aber schön
war ein solcher Tag doch. An einem Fest ward und wirb eben auch tüchtig
gegessen und getrunken, wenn dabei die ganze Freundschaft, die ganze
Sippe wieder einmal zusammenkommt. Das ist bei den Pfälzer Dauern
geradeso Drauch wie bei anderen Stämmen. Ein Tag, an dem im
Dauernhaus geschlachtet wirö, gehört nun einmal zu den, Familienfesten.
So ist es Brauch von Alters her. Wohl sind die Derhältnisse in vielen
Orten jetzt anders. In den meisten Dörfern sitzen Metzger, die das ganze
Jahr Hindurch Fleisch verkausen. Aber trotz alledem, im ordentlichen
Dauernhof wird geschlachtet! 2m ordentlichen Bauernhof wird Metzel-
suppe gehalten, und fröhtich geht es dabei her. Wsr je einmal dabei
gewesen ist, der vergißt die behaglichen Stundsn nicht und kommt wieder,
wenn er geladen wird. Die rechtschafsene Hausfrau hält daran sest, und
alle, die es angeht, richten sich daraus ein; zu den Familiensesten gehört
halt auch Lie Metzelsupp. „Gut geschlacht' spürt mer des ganze Iohr!" Es
ist so„ eine Art Erntefest mit einem Ausblick auf den langen Wintec,
denn die Fässer mit den gesalzenen Stücken, di-e wohlgefüllte Wurstkammer
sind ein ebenso lieblicher Anblick für die Hausfrau, als der volle Mehl-
kasten. Zum Familienfest gehört aber nun auch Lie Familie, die Freund-
schaft, und geknausert wird an solchem Tage nicht. Das wissen der Detter
und die Bas', die Alten und die Iungen, und wenn drauhen der Schnee

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