Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

DOI Artikel:
Palatinus, Wilhelm: Der Storche-Waddel: ein Lebensbild aus der Pfalz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0087
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schief geratene Nase; mühsam mich wieder aufrappelnd, sehe ich gerade
noch, wie ein kecker Leutnant die zarte Arsula aus der Pfütze zog, die mit
ganz unproporzionierter Lungenkraft um Hilfe zeberte. Geschwind er-
wische ich öie weit vernünftiger sich gebärdende Hilde; sie hängbe sich so-
sort um meinen Hals und wurde von mir schleunigst heimspediert, wäh-
rend das Scheusal von Leutnant zum gleichen Zweck mit der Blonden
davonstolzierte. Hilde verlachte an meinem Arm Aässe wie Kälbe und
schmiegte sich in den dunkler werdenden Gassen ganz animiert an mich,
was ich — eigentlich gegen meine Grundsätze — recht wohltuend empfand.
Unter der Haustüre quittiert'e sie meine Ritterdienste mit einem kräftigen
Kuh, den ich unwillkürlich mit Zinfen heimzahlbe. „Schlaf gut, herziger
Eduard, auf Wiedersehen morgen Abend hier zur gleichen Stunde!" —
Aun, da stand ich, halb selig, halb ärgerlich, hatbe ich doch, ohne recht zu
wissen wie, ein regelrechtes „Derhältnis" am Halfe — ich der über-
zeugungstreueste Abstinent und Degetarier mit öem Sproh eines Hauses,
das Tierleichen und Dauschgifte vertreibt. Ein tragischer Zwiespalt von
monumentaler Gröhe! Hinbennach muß ich aber sagen: „Es war mir zum
Heil, es rih mich nach oben."

Der nächste Abend brachte eine weibere Etappe zum Altar; zwar stand
keine Wama mit gezücktem Segen hinter der Türe, im Gegenteil, Herr
Gatterbaum, ein vierschrötiger, hartköpfiger Witwer und Spiehbürger
war dafür bekannt, dah er unberufenes Mannsvolk grimmig fernhielt und
mit der einzigen Lochter großartige Heiratspläne vorhatte; im übrigen
war er als Geschäftsmann und früherer Weinreifender mit allen Wassern
gewaschen, aber trohdem nicht tadellos sauber, auch starker Liebhaber
seiner eigenen Ladenartikel, das konnbe man ihm schon an der Dase an-
sehen. Der wird dem sinnlosenTechtelmechtel schon ein jähes Ende machen
— eigentlich ein ganz gemeiner Gedanke, der mir so durch den Kopf fuhr,
als ich einerseits an die Dlonde, anderseits auch an die totale Mittel- und
Aussichtslosigkeit meiner unbedeutenden Person dachte. Aber es kam
anders; Hilde, ebenso hartköpfig, aber evamähig fchlauer als ihr Dater,
brachte diese viereckige Seifenblase zustande. Als ich weisungsgemäh am
Abend vorsichtig ihre Haustüre anpirschte, zog sie mich ohne Plmftände
in den dunklen Hausgang, wo es nach Schnaps und Käse roch, wo absr
einige Küsse und Plmarmungen meine Temperatur unö Courage wesent-
lich steigerten. Hilde betrieb die ganze Geschichte auffallend geräuschvoll,
worüber mir erst später ein Licht aufging, stieh an eine leere Heringstonne,
dah sie die Kellertreppe hinunterpolterte, und zeterte plötzlich: „Herr
Iemine, der Dater!" Damit schob fie mich — wupp dich, ich weiß nicht
wie — die Treppe hinauf in ihr Kämmerlein, „halb zog sie ihn, halb sank
er hin" — na, du wirst dich ja auskennen in derlei Situationen. Da
trampelte der Alte schon an die Türe, mein Dersuch, hinter ihren unter-
rockbehangenen Kleiderständer zu schlüpfen, hat nur den Erfolg, dah der
Ständer umkippte und ein Waschgeschirr zertrümmert; „Himmel-Hagel—
Wetter—Element! Herr, wie kommen Sie ins Schlafzimmer meiner Toch-
ter? Scheren Sie sich sofort zum Teufel, oder ich schlage Sie zehn Meter
tief in den Erds-Grunds-Doden hinein!" So brllllte der liebe Papa und
packte mich beim Rockkragen. Da wallt dem Deutschen auch sein Dlut,

71
 
Annotationen