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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Palatinus, Wilhelm: Der Storche-Waddel: ein Lebensbild aus der Pfalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0088

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ich reihe mich mit Derlust meines schäbigen Kragens los und donnerte ihm
mit Mannssmut entgegen: „Lassen Sie augenblicklich los und nehmen
Sie Vernunft an — wir lieben uns, ich habe die solidesten Absichten und
bitte hiermit feierlichst um die Hand- Ihrer Tochter! „Dravo, Eduard!"
rief Hilde, und schon hatte all der Lärm die- ganze Hausgenossenschaft als
Zeugen vor d-ie Türe gebracht, was die liebe Hexe ja auch beabsichtigt
hatie. Papas Hartschädel sollte, wenns nicht anders ging, weichgesotten
werd-en durch den gesellschaftlichen „Skändal", den er als waschechter
Philister über alles fürchtete. Zunüchst zeigte er sich indes noch nicht
„reif", und ich muhte für heute das Schlachtfeld räumen, war aber schon
etwas eingehetzt auf die Pardle: „Diese oder keine!" — O Menschenherz,
so rätselvoll! Anderen Morgen flog mir durchs Kontorfenster ein Dillet
zu: „Herzallerliebster! Komme unbedingt heute nachmittag 12^ Elhr auf
den Dahnsteig! Ewig Deine Hilde." Die wird wohl nach der gestriigen
Affäre auf einige Zeit zu Derwandten verschoben werden sollen, bis
etwas Gras darüber gewachsen ist, dachte ich und stürze also nach Ge-
schäftsschluh unter Dersäumung meines vegetarischen Mittagstisches
zunr Bahnhof, wo schon Hilde siegessicher postie-rt war, bewaffnet mit
einem Musenkoffer und zwei stattlichen Ehpaketen. „Hoppla, Lieber",
neckte sie, „schasf mir das Zeug da rasch in ein Abteil 3. Klasse — möglichst
leer — ich hol mir nur noch die Fahrkarte." Gut, ich verstaue und be-
wache ihr Gepäck in einem geeigneten Abteil und stecke ungeduldig den
Kopf zum Fensterchen hinaus, denn schon beginnt d-i-e Lokomotivs zu
fauchen; im letzten Augenblick saust Hildche-n daher, wie der Blitz zu mir
herein; der Schasfner schlägt hinte-r ihr die Türe zu und fort rattert d-er
Zug. Hilde blvckiert mit ihrer Germaniafigur die Wagentüre und reicht
„sanft und keck" wie der Schillersche Edelknecht dem Schasfner zwei —
sage zwei Fahrkarten nach Landau hinaus. „Hilde", stöhnte ich, „ich
muh ja präzis 2 Uhr wieder im Kontor sein, was soll denn das bedeuten?"
„Einfach, daß du mich glattweg entführt hast", lacht-e sie seelenruhig.
„Entführen — ich dich? Mein: du mich!" „Das ist unter Äerlobten ganz
egal", tröstete sie.

Gut, ich will mich kurz fasssn, wir kamen wohlbehalten in dem schönen
Landau an, machten noch einen zärtlichen Abendspaziergang in den An-
lagen und quartierten uns protzig im Hotel 1. Klasse ein— Hilds tat es
nicht anders, sis hatte eine entsprechLnde Zwangsanleihe bei Daters La-
denkasse aufgenommen. Sie erzählte mir noch vergnügt, wie Papa gestern
w-eitergedonnert und heute früh bei meinem Prinzipal sich über meine
Persönlichkeit erkundigt habe. Mesultat: Draver Mensch, fleißig aber
etwas zerstreut und ungeschickt, bei dsn Kollegsn beliebt, weil stets b-e-
reit, Kastanien aus dem Feuec zu holen und sich anpumpen zu lasssn;
darum auch trotz aller Solidität bis jetzt kein Pfennig Ersparnisse.
„Stimmt", sagte ich, „derMann kenntso annähernd seine Pappenheimer —
aber morgen werde ich jedenfallsvon ihm rausgeschmissen." „Tut nichts",
lachtie Hilde, „in 6 Wochen heiraten wir." Heiraten, ich ausgesuchter
Habe- und Werdenichts? Mun, ich sah schon, am besten überlieh ich
alles Weitere ihren ebsnso klugen wie resoluten Händen, die ich jetzt mit
ungeheuchelter Hnbrunst ans Herz drückte.

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