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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0072
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52

Mannheim.

in der Stadt begangen werden. Die Schuljugend zündete Holzscheiter
an und setzte über das Feuer. — Schöner hat sich das uralte Fest
im badischen Oberland erhalten. Die jungen Bursche zünden bei
Einbruch der Dunkelheit auf den Höhen Holzstöße an, machen durch-
bohrte Holzscheiben glühend und schlendern sie mit Hilfe langer Stäbe
als feurige Raketen in weitem Bogen durch die Nacht.

Bei der Einweihung des Hafens zogen wir Lyceisten in dem
langen Festzuge mit den Volksschülern, Bürgern und Beamten an den
Rhein, wo Großherzog Leopold den Grundstein legte. Wie bei allen
Festlichkeiteu durfte hiebei das Bürgermilitär nicht sehlen. Jm vollen
Wafsenschmnck rückten die Tapferen aus und boten den bewundernden
Knaben ein schönes Bild der großen Armee des napoleonischen Kaiser-
reichs, dem Baden einst Heeresfolge geleistet hat.

Die Trnppen fammelten sich jeweils zum Ausrücken vor dem
Wirtshaus zur Rose auf dem Marktplatz. Den Zug eröfsnete eine
Kompagnie Grenadiere mit hohen Bürenmützen, die der Mannschaft
in ihren blauen Fräcken mit weißen Abzeichen und in weißen Hosen
ein martialisches Aussehen verliehen. Jhnen voraus gingen und
rasselten gewaltig die Tambonrs, an ihrer Spitze schritt majestätisch
der Tambonrmajor, schleuderte seinen langen Stab mit dem goldnen
Knopf hoch in die Luft nnd fing ihn geschickt wieder auf. Auch zwei
Sappeurs mit Bürenmützen, Beil und Schurzfell und erstaunlich
langen Bärten, imponierten uns gewaltig. Hinter der Jnfanterie
kam eine Reiterschwadron, den Zug beschloß eine Batterie mit drei
Kanonen, die Großherzog Leopold der Stadt geschenkt hatte. Die
Kanoniere trugen dunkle Tschakos mit roten Schnüren und dnnkle
Fräcke mit roten Abzeichen.

Dem Maifest auf der Kuhweide vor dem Heidelberger Thor am
ersten Sonntag des Mai verlieh das Bürgermilitür seinen größten
Reiz. Es bezog Zelte, manövrierte und poculierte. Einmal, ich war
bei dem Ereignis zugegen, stieg im Westen ein Gewitter drohend am
Himmel auf. Die Kanoniere hielten Kriegsrat. Sie verließen Zelt
und Becher, bespannten ihre Geschütze, fuhren aufs freie Wiefenland
nnd richteten ihre Kanonen gegen das Gewitter. Nach etlichen Schüsfen
klärte sich der Himmel lachend auf. Triumphierend kehrten die Krieger
ins Lager zurück. ^_
 
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