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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0071

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Mannheim.

51

das Schwetzinger Lustschlößchen und die Spielereien seines Schwetzinger
Lustgartens zu dem Prnnkpalaste und dem Riesenpark Versailles.

Ein Schimmer jedoch von dem erstorbenen kurpfälzischen Glanze
leuchtete noch in die dreißiger Jahre hinein und ist noch heute nicht
erloschen. Auf Mannheims „deutscher Nationalbühne" ist die Sonne
unsres größten Dramendichters aufgegangen. Die Mannheimer
schwärmten für ihr Theater, wie die Bewohner keiner andern deutschen
Stadt. — Jn meine Schulzeit fiel die erste Aussührung von Meyer-
beers „Robert der Teufel." Die Oper rief in allen Schichten der
Bevölkerung bis zum Gassenkehrer herab eine Aufregung hervor, die
bei der ersten Aufführung von Schillers Rüubern am 13. Januar 1782
nicht größer gewesen sein kann. Der Tanz der Nonnen auf den
Gräbern, das Gold, das „nur Chimäre", und nicht zuletzt das blaue
Kleid von Frau Pirscher, der ersten Süngerin — „der Pürschern ihr
blo Kleed" — beschäftigten alle Zungen.

Die französischen Kriege und am meisten die Belagerung von
1795 durch die Oesterreicher hatten Mannheim surchtbar herunter-
gebracht. Seine Einwohnerzahl hatte 1777 die Höhe von 25 300
erreicht gehabt, sie war 1802 auf 13 000 gesunken und betrug 1831
erst 20 000, somit war die Ziffer von 1777 noch nicht wieder erlangt
worden. Der gute und bescheidene Heunisch giebt am Schlusse der
Beschreibung Mannheims der Hoffnung Ausdruck, die Stadt dürfte
„leicht, bei dem Emporkommen des Handels zu einer Größe von
30 000 Einwohnern gelangen." Sie zählt 1897, am Schlnß des
Jahrhunderts, 100 000; ihre Nachbardörfer, Neckarau und Käfer-
thal, die l833 1450 nnd 1240 Einwohner hatten, haben den Um-
fang kleiner Städte mit nahezu 8000 nnd 7000 Seelen erreicht;
Ludwigshafen, die ehemalige öde Rheinschanze, zählt 40 000; groß-
artige Fabriken erstrecken sich von Mannheim meilenweit rheinab und
rheinauf am Strom. Diefelbe Bodenfläche giebt heute der sieben-
fachen Menschenzahl Brot, Vielen großen Wohlstand und Reichtum.

Zur Charakteristik Mannheims in meiner Schulzeit dient die
Thatsache, daß ich am 24. Juni 1834 mit anderen Knaben auf der
Straße vor unserer Wohnung über das Johannisfeuer gehüpft bin.
Das heidnische Fest der Sonnenwende durfte noch ungehindert mitten
 
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