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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0180
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Die allgemeine Studentenschaft.

zeigen, daß ihre Suprematie zu Ende sei, benützten wir eine Gelegen-
heit, die sich gerade darbot. Es mußten die Wahlen für die Kranken-
kommission der Universität und in der Museumsgesellschaft für die
Ballkommission seitens der Stndenten vorgenommen werden. Bisher
hatte der 8. 0. die Kommissäre dort und hier ernannt, wir bestanden
auf unserem Recht und ballotierten sie mit großer Stimmenmehrheit
aus diesen Stellen.

Nachdem sich die Reformverbindungen geeint hatten, machten
sie sich an die Ausarbeitung einer Verfassung der allgemeinen
Studentenschaft, wie wir sie von nun an dem Sonderbunde des
8. 0. gegenüber als organisierte Körperschaft bezeichneten. Jeder
Student galt für gleichberechtigt, nach diesem Grundsatze verfuhren
wir schon bei der Wahl des Ausschnsses, der den Auftrag erhielt,
die Satznngen einer Verfassung zu unterwerfen. Die Verbindungen
wählten für je zehn ihrer Mitglieder einen Abgeordneten, und die
Wilden hatten dasselbe Recht, sie machten jedoch von ihrem Rechte
kaum Gebrauch. Der Ausschuß bildete eine Art konstituierender Ver-
sammlung, seine Verhandlungen rückten nur langsam vom Fleck.
Die Redelust der jungen Herrn war groß, es wurde erschrecklich viel
und klug getiftelt, spintisiert und auf Prinzipien geritten. Der Vor-
sitzende war Aegidi. Er besaß ein großes Geschick die Verhand-
lungen zu leiten, wir nannten ihn anerkennend den kleinen Thiers,
da er diesem berühmten Parlamentarier wie an Beredsamkeit, so auch
an Leibesgestalt glich. Dank seiner Umsicht kam die Sache zu einem
glücklichen Ende nnd der Entwurf wurde von den fünf Verbindungen
ohne Widerspruch angenommen. Von jetzt an besorgte ein Verwaltungs-
ausschuß nach der Richtschnnr einer sorgfältig ansgeführten Geschäfts-
ordnung die Angelegenheiten der Studentenschaft.

Schwieriger, als die meisten gedacht, war die Einrichtung eines
Ehrengerichts, und das, was man schließlich fertig brachte, taugte
nicht viel. Die Ansichten über das Duell gingen zu weit ausein-
ander, nur in einem Punkte stimmten sie alle überein: man ver-
dammte die Bestimmungs-Mensuren. Das Gericht wnrde, vermutlich
um seinem Urteil ein möglichst großes Ansehen zu verschaffen, mit
nicht weniger als 25 Richtern besetzt, auch durfte es keine Strafen,
 
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