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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0221
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Die Anatomen Kobelt und Bischoff. 201

das Leben, mit einem Eifer ohnegleichen erklärte er uns die Vorgänge
am bebrüteten Ei des Huhns und dem befruchteten des Süugetiers.

Kobelt und Bischoff konnten sich so wenig vertragen, daß es
fchließlich zu einem öffentlichen Aergernis kam, was dem Ansehen der
beiden Gelehrten in Heidelberg fchadete.

Wir waren eines Morgens in fleißigem Präparieren begriffen,
als einer der Präparanten an den Muskeln, die er eben blosgelegt
hatte, etwas Merkwürdiges entdeckte. Er rief nns an feinen Tisch,
wir fahen das Fleisch weiß punktiert und die unzühligen Punkte ent-
sprachen winzigen, steinharten Knötchen, die darin fest eingebettet
stacken. Kobelt wurde herbeigeholt. Er fchnitt ein Stückchen aus
dem Muskel und eilte damit auf fein Arbeitszimmer, um es mikro-
fkopifch zu nntersuchen. Bald darauf kam Bischoff in den Saal, man
erzählte ihm von dem feltsamen Befnnd, worauf er sich gleichfalls
etwas von dem punktierten Fleisch znr Unterfuchung mitnahm. Beide
fanden, daß es sich um verkalkte Trichinen handle. Owen in London
hatte 1805 diesen Wnrm entdeckt und Tniellinn 8xinn1i8 getauft. Die
große pathologische Bedeutnng des Parasiten hat aber erst mein
späterer Erlanger Kollege, der Professor der pathologischen Anatomie
Friedrich Albert Zeuker, 1860 als Prosektor im Dresdener Kranken-
haus erkannt, bis dahin blieb Owens Trichine nnr ein Kuriosum.
Jhre Beschreibung durch Kobelt und Bischoff brachte nichts Nenes,
aber die beiden Anatomen gerieten über die Berechtigung, den Fund
zu veröffentlichen, einander in die Haare und trugen ihren Streit
fogar in die öffentlichen Blätter.

Die Regierung mußte eingreifen, sie versetzte Kobelt 1841 als
Prosektor nach Freiburg, und der dortige Prosektor Alexander Ecker
mußte feine Stelle mit der in Heidelberg vertauschen. Bischoff er-
hielt 1843 einen Ruf als ordentlicher Profeffor nach Gießen, die
badische Regierung hielt ihn nicht zurück und berief, um feine Stelle
auszufüllen, Henle von Zürich als zweiten Ordinarius für Anatomie
und Physiologie neben Tiedemann.
 
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