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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0231
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Friedrich August Benjamin Puchelt.

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am Schreibtisch saß bis tief in die Nacht. Es blieb ihm für seine
große litterarische Thätigkeit keine andere Zeit, denn er besorgte ge-
wissenhaft nicht nnr sein Lehramt und die klinischen Kranken, er war
auch Hausarzt vieler Familien und fuhr nicht selten zn Konsultationen
mit den Aerzten der Umgegend.

Nur wenige Kliniker mochten sich mit Puchelt an umfassendem
Wissen nnd litterarischer Fruchtbarkeit messen. Mit gutem Bedacht
hatte der große Bibliograph Ersch gerade ihn zum medizinischen Mit-
arbeiter an seinem Handbuch der deutschen Litteratur auserwählt und
Josef Frank gleichfalls seine Mithilfe bei der von ihm herausgegebenen
elfbändigen medizinischen Encyklopädie erbeten, ihren letzten Band
bearbeitete Puchelt 1843 nach Franks Tode. Die Schrift, die ihm
zuerst Ansehen und die Professnren in Leipzig und Heidelberg ver-
schaffte, war feine Monographie der Venenkrankheiten 1818, sein
Hauptwerk das „System der Medizin im Umrisse dargestellt", das
in erster Auflage von 1825—32 erschien, in zweiter 1835. Es
hat vier Bände, dem ein fünfter beigegeben ist, der nur ein um-
fasfendes Litteraturverzeichnis und Register enthält. Da er dieses Werk
ausdrücklich seinen Zuhörern gewidmet hatte, drang ich in meinen Vater,
es mir anzuschaffen; er ging darauf ein, und ich war stolz auf den
reichen Besitz, habe es aber nicht fertig gebracht, die 3000 Para-
graphen durchzulesen. Außer diesen Arbeiten hat Puchelt noch viele
Schriften, Abhandlungen, Berichte, Programme und Tabellen veröffent-
licht, ein Buch von Capuron über Kinderkrankheiten übersetzt, die damals
vielgelesenen Heidelberger klinischen Annalen redigiert und mit seiner
Fakultät auch die medizinischen Annalen, die Fortsetzung der klinischen,
herausgegeben. — Ein erstaunlicher Aufwand nächtlichen Fleißes!

Es wäre Unrecht, in dem Kliniker Puchelt nur einen Bücher-
wurm zu sehen. Er war ein guter Beobachter und hat znerst die
Mxityphlitis als besondere Form von Entzündungen in der rechten
Darmbeingrube unter diesem noch heute gebräuchlichen Namen unter-
schieden; in der Klinik hat er sie uns wiederholt vorgezeigt und
diagnostizieren gelehrt. — Seine innere Behandlung freilich war die
damals übliche mit Calomel und Blutentziehungen, die nur allmählich
einer besseren mit Anwendung von Opiaten wich. Jch muß hier er-
 
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