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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0232

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212 Friedrich August Benjamin Puchelt.

wähnen, daß mich schon mein Vater in seiner Praxis diese Methode
benützen lehrte und vor der Calomelbehandlung warnte. Er berief sich
dabei auf die Empfehlung des Rostocker Professors Samuel Gottlieb
Vogel, eines der gewiegtesten Praktiker jener Zeit. — Bald nachher er-
schien die kleine epochemachende Schrift des Karlsruher Arztes Dr. Adolf
Volz: „Die dnrch Kotsteine bedingte Durchbohrung des Wurmfortsatzes,"
1846, die in der Lehre von der Perityphlitis, ihrem Ursprung und
ihrer Behandlung einen wesentlichen Fortschritt bedeutete. — Mit
der genaueren Kenntnis der Entzündung des Wurmfortsatzes und mit
der Einführung der antiseptischen Wundbehandlnng ist der letzte große
Schritt auf diesem so wichtigen Gebiete der Pathologie geschehen;
der chirnrgische Eingriff hat vielen tausenden, die srüher an der Ent-
zündung und Durchbohrung des Wurmfortsatzes zu Grunde gingen
oder langem Siechtum dadurch verfielen, das Leben gerettet oder doch
rasche Genesung verschafft; bis dahin hatte man nur zum Mesfer ge-
griffen, wenn schwappende Abseesse mit Durchbruch drohten.

Als feiner Beobachter erwies sich Puchelt noch 1845 in einer
Abhandlung „Ueber partielle Empfindungslähmungen", die er in den
Heidelberger medizinischen Annalen veröffentlichte.

Mit den Lehren Laönnecs und der Technik der Perkussion und
Auskultation hatte fich Puchelt vertraut gemacht. Er war imstande,
die Gegenwart von Luft oder Eiter im Brustfellraum auch in Fällen
zu konstatieren, wo die Zeichen fehlten, die schou vor Laönnec die
Diagnose ermöglicht hatten. Dies war damals viel, wo erst einige
seiner klinischen Kollegen in Deutschland und wenige deutsche Aerzte
überhaupt perkuüeren und auskultieren gelernt hatten. — Bezeichnend
sür den Stand der Diagnostik bei den Aerzten jener Zeit ist eine
lustige Geschichte, die viel erzählt wurde und heute vergessen sein
dürfte. Ein deutscher, in Paris geschulter und im Beklopfen und
Behorchen der Brust wohl geübter junger Arzt kehrte in seine Vater-
stadt zurück und verschaffte sich rasch eine große Praxis. Sein Ruf
drang aufs Land und ein brnftkranker reicher Bauer ließ ihn zu sich
rufen. Er fuhr zu ihm, mit dem Perkussionshammer bewaffnet, und
bearbeitete damit die Brust des Bauern gründlich. Nachdem diese
Untersuchung beendet, nickte ihm der Patient besriedigt zu: „Herr
 
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