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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0275
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Die gelöste Preisfrage.

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daß die Frage nach der abnormen grünen Farbe des Augensterns
von der Vorfrage abhängt, warum der normale Augenstern schwarz
erscheint? Diese Vorfrage läuft darauf hinaus: warum sieht man
hinter den durchsichtigen Gebilden des Auges, hinter der Hornhaut,
dem Augenwasser, der Kristallinse und dem Glaskörper, nicht die völlig
undurchsichtigen Gefässe der Sehhant nnd die Eintrittsstelle des Seh-
nervs? Man kann sie sofort sichtbar machen, wenn man, wie im
vorigen Jahrhundert Mery beobachtet hat, ein ausgeschnittenes Auge,
etwa ein Kalbsauge, unter Wasser betrachtet. Dieser Versuch beweist,
daß dioptrische Einrichtungen der Erscheinung zu Grunde liegen. So-
viel wurde mir klar, mehr leider nicht.

Die Frage: warnm ist die Pupille schwarz, scheint so nahe zu
liegen, daß man meinen sollte, sie müsse sich der Forschung frühe
schon aufgedrängt haben. Zu meiner Ueberraschung fand ich sie
nirgends aufgestellt. Die schwarze Farbe der Pupille erschien so selbst-
verständlich, daß sogar der Versuch von Mery unbeachtet geblieben
war. — Es wiederholte sich eine gemeine Erfahrung. Der Mensch
fragt eher nach dem Grunde der fernsten und der letzten Dinge, als
nach der Ursache der nächsten. Die Erschaffung und der Untergang
der Welt beschäftigten die Menschheit Jahrtausende lang und Kosmo-
gonien wurden ersonnen und den jüngste Tag beschrieben, ehe sie die
Fragen aufwarf, warum der Apfel zur Erde fällt und der Pendel
schwingt.

Erst wenn solche, anscheinend einfache Fragen über den Grnnd
„selbstverständlicher" Dinge anfgestellt werden, erkennt man bei ernst-
licher Prüfung ihre schwierige und verwickelte Natur. Es gilt, sie
in ihre Teile zu zerlegen und zu ermitteln, wie das Ganze aus ihnen
entsteht. Dabei kann es geschehen, daß alle Punkte bis auf einen
einzigeN klar gelegt werden, und dieser einzige ist gerade der Angel-
punkt. Bleibt er dunkel, so ist alle auf die Forschnng verwandte
Arbeit vergeblich. — So ist es mir ergangen.

Donders, der berühmte Physiolog in Utrecht, dem die gesamte
Wissenschaft vom Auge so viel verdankt, veranlaßte seinen Schüler
van Tright, die Geschichte des Augenspiegels bis zum Jahre 1854
zu schreiben; Dr. Schauenburg hat die Schrift ins Dentsche übersetzt
 
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