Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0274

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
254

Die gelöste Preisfrage.

und pathologische Untersuchung der verschiedeneu Farben, die nnab-
hängig von den durchsichtigen Medien im Grunde des Auges erscheinen."

Chelius hatte dieses Thema ausgewählch sein Sohn Franz, der
die Kliniken mit mir besuchte, fragte mich, ob ich wohl Lust trüge, es
zu bearbeiten, sein Vater stelle mir seine Bibliothek zur Verfügung.

Vor der Einführung des Augenspiegels glich die Diagnostik der
Augenkrankheiten dem Bestimmen der Pflanzen durch einfaches Be-
trachten beim Botanisieren in Wald und Feld, wie ich es viel geübt
hatte. Jn den großen Ferien hatte ich das Handbuch der Augen-
heilkunde von Chelius gut einstudiert und die darin beschriebenen
Bilder so genau im Kopfe behalten, daß es mir in der Klinik mehr-
mals gelang, auch solche Fehler am Auge, die bisher noch nicht zur
Beobachtung gekommen waren, zu diagnostizieren. Da mein Lehrer
hieraus ersehen hatte, daß mich die Augenheilkunde besonders anzog,
ließ er mich durch seinen Sohn einladen, die Preisfrage in Angriff
zu nehmen. Ohne langes Besinnen war ich dazu bereit. Mein Vater
hatte mir einst gesagt, ich könne ihm keine größere Frende bereiten,
als wenn ich die goldene Karl-Friedrichs-Medaille heimbrächte; es
gelang mir vielleicht, ihn damit zu überraschen.

Zunächst erkundigte ich mich genauer, worauf es die Preisfrage
eigentlich absah. Jn der Hauptsache wünschte Cbelius, wie ich von
ihm selbst erfuhr, eine kritische Zusammenstellung der zahlreichen be-
ftehenden Theorien über das Wesen des Glaukoms, derselben Krank-
heit, die, wie ich früher erzählte, Rudolf v. Freydorf um ein Auge
gebracht hat. Sie erhielt ihren Namen von der blaugrünen Farbe,
die der Augenstern, auch Pupille genannt, ftatt des normalen Schwarz
bei ihr annimmt. Glankos bedeutet im Griechischen blaugrün; diese
auffallende Farbenverändernng galt für das wesentliche Kennzeichen
der Krankheit, heute erachtet man andere Symptome für noch wichtiger
und beständiger als die grünliche Färbung.

Eifrig machte ich mich an die Litteratur meines Themas. Sie
war groß und ich mußte sie aus den Bibliotheken der Universität nnd
meiner Lehrer Chelius und Tiedemann zusammentragen. Es war mir
ein großer Genuß, die Wisfenschaft vom gesunden und kranken Auge
durch ihr weites Quellengebiet zu verfolgen. Dabei merkte ich bald,
 
Annotationen