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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0411
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Die Prager Fakultät.

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pathologisch-anatomischen Anstalt, Dn. Dittrich, für ihn ausführte.
Oppolzer leitete sie hänfig mit einigen Worten ein, begleitete und
schloß sie mit nützlichen Bemerkungen, forderte uns auch in gewiffen
Fällen vor der Sektion auf, eine und die andre Untersuchung an der
Leiche auszuführen. Nach der Sektion lud er uns nicht felten ein, ihn
auf sein Arbeitszimmer zu begleiten, wo ein Mikroskop und chemische
Reagentien zur Benützung für diagnostische Zwecke anfgestellt waren.
Man konnte hier Fragen an ihn richten und war einer frenndlichen
Beantwortung sicher.

Oppolzer hat in Prag mehrere wertvolle pathologifche Ab-
handlungen in der Prager Bierteljahrsschrist veröffentlicht; später, nach-
dem er 1848 nach Leipzig und zwei Jahre darauf nach Wien berufen
worden war, beschränkte er seine litterarifche Thätigkeit je lünger,
desto mehr auf klinische Mitteilungen in der Wiener mediz. Wochen-
fchrist, meist durch die Feder feiner Assistenten, feine riesige Praxis
ließ ihm keine Zeit zum schreiben. Wührend meines Aufenthalts in Prag
hieß es, er beschäftige sich mit der Abfasfung eines Handbuchs der
Pathologie, man war sehr gespannt darauf, aber es ist nie erschienen;
die Vorlesungen Oppolzers, die sein Schwiegersohn Stoffella heraus-
gab und nicht zu Ende führte, enthalten nur bekannte Dinge.

Oppolzers Begabung reichte nicht entfernt an das Genie Skodas,
aber als praktischen Lehrer stellten wir Aerzte ihn über den großen
Kritiker und Reformator. Jm Besitze einer reichen und sichern Er-
fahrung, durchdrungen von der humanen Aufgabe der Heilkunde und
fest im Glauben an die Heilkunst, war er ein getreuer Ekkehard in
den Nöten und Gefahren der Praxis. Mit ruhiger Weisheit ver-
zichtete er auf mathematifche Gewißheit und erreichte das Mögliche
und Beste durch einfache Mittel, ein Kennzeichen tüchtiger Aerzte.

Als im Januar meine Kniee rheumatisch anschwollen und mich
mit Schmerzen quälten, fragte ich Oppolzer um Rat; seiue Verord-
nungen charakterisieren die hippokratische Art feiner Therapie. Er riet
mir keine Arznei, nicht einmal Einreibungen, nur Flanell um beide
Gelenke, Vermeidung erhitzender Speifen und Getränke, ich folle eine
Zeit lang nur von Milch, Eiern, weißem Fleisch, Gemüsen und Obst
leben. Jch befolgte feine Vorfchriften, die Kniee wurden besser, aber
 
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