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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0412

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Die Prager Fakultät.

Heilung erzielte ich erst später durch Kaltwasstrbehandlung, auf die er
nicht hinwies.

Neben der inneren Klinik von Oppolzer bestand noch die von
Jaksch, die weniger besucht war, doch hielten einige meiner Bekannten
große Stücke auf Jaksch als feinen Diagnostiker; sie behaupteten scherz-
haft, er sei im stande, bei Klappenfehlern der Aorta genau anzugeben,
welche von den drei Taschen erkrankt sei.

Ganz vorzüglich war die chirurgische Klinik unter der Leitung
von Franz von Pitha, einem edeln, seingebildeten, humanen und ge-
schickten Manne.

Sehr beliebt war auch Arlt, der „Supplent" für Augenheilkunde.
Da mir die rnhige Hand zu seinen Operationen versagt war, wollte
ich keine Zeit mehr auf dieses Fach verwenden und besuchte seine
Klinik nicht. Zufällig hörte er meine Bekannten in der Klinik meinen
Namen nennen, der ihm aufsiel, und erfuhr anf Beiragen, daß ich der
Verfasser der Heidelberger Preisschrift über die Farbenerscheinungen
im Augengrunde sei, die er gelesen und günstig rezensiert Hatte, was
ich nicht wnßte. Er forderte mich durch sie auf, ihn zu besuchen und
lehrreiche anatomische Präparate bei ihm anzusehen. Jch folgte dieser
Einladung und freute mich der Lobsprüche, die er meiner Schrift
spendete. Sie thaten meinem jnngen Autorherzen wohl; in Wien hatte
man mein Büchlein keines Worts und vermutlich keines Blicks ge-
würdigt, denn was konnte aus dem Reich Gutes kommen? Die Prager
waren doch bessere Menschen.

Die interessanteste der Prager Lehranstalten war für uns das
neue Jrrenhaus, die Schöpfung des Primararztes Riedel, den man
den Reformator des österreichischen Jrrenwesens nennen darf. Er hat
auch, 1851, die neue Jrrenanstalt in Wien vollendet, zn deren Bau die
Regierung bereits 600 000 fl. bewilligt hatte. — Riedel empfing uns
sehr freundlich und erteilte einem Assistenten den Auftrag, uns durch die
weite Anstalt zu sühren; wir verweilten vier ganze Stunden darin. —
Oesterreich verdankt Riedel die erste Einführung eines psychiatrischen
klinischen Unterrichts der Mediziner. Die Größe dieses Verdienstes weiß
der am'chesten zu schätzen, der mit den großen Vorurteilen zu kämpfen
hatte, die selbst bei den Psychiatern dagegen bestanden. Jn Baden
 
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