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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0510
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Schluß.

wissenschaft durch wichtige Entdeckungen und Jdeen zu fördern. Preußen
und Baiern hatten die Rollen vertauscht; einst hatte Preußen den
Baiern Schönlein, unbekümmert um die Anklage auf Hochverrat,
die ihm in Würzburg gedroht, nach Berlin geholt, jetzt berief Baiern
ebenso unbekümmert den erklärten Demokraten Virchow von Berlin
nach Würzburg.

Jch blieb zwei Semester in Würzburg, hörte, nochmals immatri-
kuliert, Vorlesungen und Kurse bei Virchow, Koelliker und Scherer,
arbeitete im Winter täglich mehrere Stunden im Präpariersaal und
im Sommer im chemischen Laboratorium. Mit Heinrich Müller,
dem frühe verstorbenen, um die Erforschung des mikroskopischen
Baus der Sehhaut so verdienten Anatomen, erneuerte ich die schon
in Heidelberg gemachte Bekanntschaft, und mit Nikolaus Friedreich,
dem nachmaligen Heidelberger Kliniker, der gerade Dozent geworden
war, schloß ich Freundschaft. Der Znfall machte mich gleich am ersten
Tage zu seinem Tischnachbarn im Gasthofe zum Schwanen. Er war
noch unverheiratet und ich hatte meine Frau bei ihren Eltern zurück-
gelassen, erst an Ostern kam sie nach. Friedreich und ich richteten
einen Mittagtisch um 5 Uhr für uns ein, um den Tag besser ver-
werten zu können, George Harley, später Prosessor und Physician am
London University Hospital, der Verfasser einer geschätzten Mono-
graphie der Leberkrankheiten, nnd mehrere ältere Studenten der Medi-
zin schlossen sich uns an. Gegen Ende des Sommersemesters promo-
vierte ich, wobei mir Friedreich opponierte.

Um eine in der Praxis schmerzlich empfundene Lücke meines
ärztlichen Wissens auszufüllen, ging ich von Würzburg nach der
badischen Landes-Jrrenheilanstalt Jllenau, wo ich den größten Teil
des Herbstes mit psychiatrischen Studien verbrachte. Neben dem Direktor
Roller und den Aerzten Hergt und Fischer waren hier als Hilfsärzte
Gudden, traurigen Andenkens, und Kast angestellt. Gudden beschäf-
tigte sich eifrig mit mikroskopischen Untersuchungen, zeigte mir seine
lehrreichen Präparate, namentlich über Hautparasiten, und setzte mir
seinen Plan auseinander, die physiologischen Verrichtnngen der Ge-
hirnteile durch ihre operative Ausschaltung bei neugeborenen, am Leben
zu erhaltenden Tieren, aufzuklären. Auch Kast war ein gescheiter Kopf
 
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