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Laban, Ferdinand
Der Gemüthsausdruck des Antinous: ein Jahrhundert angewandter Psychologie auf dem Gebiete der antiken Plastik — Berlin, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.11397#0010
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Objects. Der Hermes ist ein Torso. Und wenn sich
auch nach und nach wichtige Bruchtheile hinzugefunden
haben, so fehlt uns immer noch — und wohl für immer! —
gerade jenes wichtigste Stück, das allein uns zu der
wirklichen Erkenntniss des Gemüthsausdruckes im Her-
mesantlitz verhelfen kann. Das Archäologen-Motto %a.z
s joyvjv:

»Was man nicht hat, das eben brauchte man,
Und was man hat, kann man nicht brauchen«

passt nirgendwo besser hin als hierher. Was nützt uns
der linke Arm, was das Dionysoskind! Was hilft der
rechte Fuss! Die rechte Hand brauchen wir! Diese
unbedingt! Und so lange wir, in die leere Luft hinein-
phantasierend, diese bloss in Gedanken ergänzen müssen,
so lange wird unsere Erkenntnis des Gesichtsausdruckes
des Hermes eine schwankende, nebelhafte bleiben.
Entweder, man versucht zu dem Gesichtsausdruck die
Hand hinzu zu erfinden, oder man erdenkt eine Hand,
welche den Gesichtsausdruck erklären helfen soll. Das
Hermesantlitz aber wendet sich, räthselhaft nach wie
vor, unseren forschenden Blicken ausweichend, zur Seite.

In den nachfolgenden Blättern möchte ich die Auf-
merksamkeit auf einen Gegenstand hinlenken, bei dem
die Dinge geradezu umgekehrt liegen.

Vom Antinous ist die Rede.

Die Antinous-Bildwerke, von welchen eine überaus
beträchtliche Anzahl — etwa dreihundert, die Gemmen
und Münzen mit eingerechnet — uns erhalten blieb,
sind, wie allgemein zugegeben wird, Porträtdarstel-
lungen. Der archäologischen Wissenschaft geben sie
fast nichts zu rathen. Denn, ihre Entstehungszeit ist
nahezu bis aufs Jahr bekannt und jeder Anzweifelung
 
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