Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0403
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Klabund: Zwei Fabeln

Die grüne Fliege

Seih fragte:

„Wie schütze ich mich vor meinen Feinden?"

Li sprach:

„In meinem Zimmer trieb sich eine grüne
Fliege herum, die mich abends, wenn ick
die Lampe entzündet hatte, empfindlich störte.
Sie brummte und summteunaufhörlich gegen
das Licht. Am Tage verhielt sie sich still.
Am Tage wußte ich von ihr garnichts und
wußte garnicht, daß eine grüne Fliege tu
meinem Zimmer sei. Nachts aber brummte
und summte sie immer unerträglicher und
störte mich iti meinen Meditationen. Da
lötete ich sie. Sie brachte mich um meine
Gedanken und so brachte ich sie tun die ihren.

Seth zog sich leise aus den Zehenspitzen
zurück.

Li rief ihn zurück.

Du tust Recht, leise zu gehen und deine
Schuhe draußen vor der Matte abzulegen,
Latte sich die Fliege durch ihr vorlautes
Benehmen nicht immer wieder bemerkbar
gemacht, sie wäre rtoch am Leben.

Wer Feinde hat, suche sich in Vergessen-
heit zu bringen.

S ch w 6 r z und w e i ß

Seth fragte: „Welches ist der Unterschied
zwischen Schwarz und Weiß?"

Li schwieg.

Sie gingen über eine Wiese.

Es begegnete ihnen ein schwarzes Schaf.

Li fragte: „Darf ich den Lcrrn fragen,
lvelches die Farbe dieses Schafes ist?"

Seth erwiderte: „Schwarz!"

Danach begegnete ihnen ein weißes Lamm.

Li fragte: „Darf ich den Lerrn fragen,
welches die Farbe dieses Lammes ist?"

Seth erwiderte: „Weiß!"

Danach begegnete ihnen ein schwarz und
weiß gesprenkeltes Kalb.

Li sprach: „Du bist wie dieses schwarz
tind weiß gesprenkelte Kalb. Es ist schwarz
und es ist weiß, aber es weiß nicht den
Unterschied zwischen schwarz und weiß. Das
heißt: cs begreift sich selber nicht!"

Seth errötete und zog sich mit einer
ehrerbietigen Verbeugung zurück.

*

Der Strafanstaltsdirektor wünscht das
Nationale eines politischen Gefangenen vor-
gelegt zti erhalten. Die Akten sind nicht
ztl finden, osseitbar verlegt. Toben des
Gewaltigen, zittcrnd-ängstliches Suchen der
Llntergebencn. Schließlich kommt einem
Beamten die rettende Idee: „Lerr Slraf-
anstaltsdirektor, ick jlobe, dct is 'n inter-
nationaler Sozi, der hat jar kcenNationale!"

M. v. sj.

Forleuleund Scherlwurm

Von Paul E u t m a n n

Einer der schlimmsten Schädlinge ist
in diesen« Sommer die Aorleule, de eu
Raupen bereits große Kiefernbestände
kahlgefreffen haben.

Die Forleule frißt die Kiefern kahl.

Der Scherlwurm ist äußerst radikal.

Die Forleillen deutsche Wälder schröpfen.

Der Scherlwurm nährt sich von deutschen
Tröpfen.

Die Forleulen mehr auf Nadeln klettern.

Der Scherlwurm haust vorzugsweis auf
Blättern.

Die Forleulc ist voll großer Tiicke.

Der Scherlwurm kriecht immerdar zurücke.

Besonders kriecht er vor dem hohen Adel,

Er kriecht ins Nachthemd dein scudakeii
Madel.

Er kriecht ins Bett von Prinzen und
Prinzessen,

Er frißt nicht bloß, man hat ihn gern zum
Freffeii.

Das Kirn, voit dem er fraß, denkt schief
und schiefer.

Der Fvilenle dankt cs nicht die Kiefer.

Der Scherlwurm gedeiht, sieht fast wie'n
Aar aus.

Der Forlciile macht man schnöd den Garaus

Ahle m ä n u

„Gestern kam in meiner
Abwesenheit mein Nach-
bar Schulze in meine
Wohnung und sagte
zu meiner Frau: Dein
Mann ist ein Schafs-
kopfund ein Dussel. Auch
versuchte er, sie zuiii
Ehebruch zu bestimmen.
Wegen der Beleidigung
werde ich Privatklagc er-
heben, die Verleitiing
meiner Frau zum Ehe-
bruch überlasse ich der
Staatsanwaltschaft."

Raffke sitzt im Cafe.

Am Nebentisch wird eilt
literarisches Gespräch ge-
führt. Ein Lerr, der deit
Naturalismus verteidigt,
ruft seinem Gegenpart
ein paar Mal laut zu:

„Ich kann Ihnen nur
raten: Kaufen Sic Arno
Lolz' Werke. Es wird
für Sie ein großer Ge-
winn sein." Raffke spitzt die Ohren, geht
auf die Post und drahtet an seiire Bank:
„Kaust für mich bestens Mark Zehntausend
Amo-Lolzwerke, falls Bonität des Lln-

Der Vreitscheid hat iit Paris Landesverrat betrieben,
Limmelswillen — nur unter dem Schutz der

Ulli

ternehmcns atlch dortseits feststeht uiid
Aussicht auf diesjährige Dividende." — In
der Bank soll man sich sehr gewundert haben.

Zeichnung von Erms

„Sie, der Bankprokil
rist dort war doch immer
ein frischer, energischer
Mensch und jetzt sitzt er
da im Kaffeehaus jeden
Tag, ivie wenn er die
Schlafkrankheit hätte."

„Ja, seit einiger Zeit
ist er in den Kassen-
ra um versetzt worden."

In einer Wählerver-
sanunlung wetterte eilt
Völkischer gegen das
„zersetzende" Judentum.
Man erwiderte ihm, seit
e weise die deutsche Ge-
schichte denGeistderZwie-
trächt und Zersetzung auf.
Auch die Lakcnkreuzler
zerfielen tu mehrere, sich
arg bekämpfende Par-
teien. Ob dieseZersetzung
unter den Lakenkreuzlern
atich aufdas „zersetzende"
Judentum zurückzusüh-
ren sei? Der Deutsch-
völkische erwiderte, na-
türlich feien dieIudcnauchdaran schuld; denn
gäbe cs keine Juden, dann gäbe es keine
Lakcnkreuzlcr,undgäbecskeineLakenkrcnzler,
dann gäbe cs arich eilte Zersetzung unter ihnen.

aber erzählen Sie's
Immlinität weiter!"

395
 
Annotationen