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Zu Wilhelm Liebknechts 100. Geburtstag



ie mögen sich gegen die Wahrheit sträuben wie Sie wollen, aber Sie
werden die Kriege nicht eher beseitigen können, als bis sich die
Reiche der Welt auf die Gerechtigkeit gründen, bis die Völker ein
neues Völkerrecht geschaffen haben, ein wahres Völker-
„ und Menschenrecht, welches das gleiche Recht jedes einzelnen an-
erkennt. Dann erst, vorher nicht, wird der Weltfriede möglich sein. Die So-
zialdemokratische Partei, die Sie verlachen, wenn sie in dieser Weise auf tritt,
sie hat auf ihr Schild geschrieben die Forderung einer Politik, welche die
sittlichen Grundsätze des Privatlebens auf das öffentliche Leben überträgt.
Das, was die Moral im Privatleben heißt, soll auch gelten in dem öffentlichen
Leben, in der Politik. Heut wird der Diebstahl im kleinen schwer bestraft,
im großen aber gepriesen und der Raub ganzer Länder bedeckt mit Ruhm.
Das ist ein moralisches Chaos. Wenn dieses Chaos gelichtet und ein-
mal die Moral in die Politik eingezogen ist, werden die Geschicke der Völker
anders und zum Heil für die Menschen gelenkt werden!“

(Reichstagsrede Wilh. Liebknechts vom 19. Febr. 1878.)

Als man nach Genf fuhr

Gustav Stresemann hat Humor.
Er rief dem neuen Finanzminifter bei
der Abfahrt zu: „Ermäßigen Sie mir
die Steuern nicht zu fehr!"

Wäre Geßler auf dem Bahnhof ge-
wesen, hätte er gesagt: „Sehen Sie
zu, daß die Monarchie nicht in
unserer Abwesenheit wieder-
hergeftellt wird."

Stresemann besichtigte das Abteil
und sagte zu Luther: „Ich möchte doch
weder rechts noch links sitzen, sondern
in der Mitte bleiben. Außerdem kann
ich nicht vorwärts fahren, sondern nur
rückwärts."

„Wollen wir jetzt eine Weile mal
nicht von Politik sprechen, Erzellenz?"
antwortete der Reichskanzler.

*

Zur Abkürzung der Bahnfahrt
spielten Dr. Luther, Stresemann und
Ministerialrat 3E einen soliden Skat.

„Rot ist Trumpf!" rief der Reichs-
kanzler und spielte aus. Stresemann
beidiente versehentlich mit einer anderen

Der Propaganda-Schlaf

Zeichnung von Walser Trauischold

sOie pravinzpresse hat ihren Lesern erzählt,
deutsche Fürsten hätten in Nachtasylen nächtigen
müssen.)

„Hoheit haben wirklich . . . ?"
„Mein Rechtöbeiftand bestand da-
rauf, meine Liebe!"

Farbe. „Nein, Exzellenz", sagte da
der Reichskanzler, „das gibt es nicht,
hier muffen Sie Farbe bekennen, aber
beruhigen Sie sich, es sieht und hört
ja niemand. Wir sind ja hier unter
uns."

Dem Reichskanzler gelang im Laufe
des Spiels eine glänzende Kombina-
tion. Erfreut rief er aus: .

„Ich steche Rot, ziehe Schwarz nach
und behalte als höchsten Trumpf den
Schellenkönig in der Hand." M-n.

Gespräch vom Tage

Neulich traf ich meinen Freund
Fritz. Er hatte seine Frisur geändert
und trug die Haare glatt zurückge-
kämmt.

„Warum tatest du dies?" fragte ich.

„Damit ich mir wenigstens etwas
zurückgelegt habe", war die Antwort.

„Es wird schon wieder besser wer-
den", tröstete ich.

„O, ja", sagte er, ,/dann werde ich
wieder einen Scheitel tragen, damit
ich weiß, daß ich etwas auf die Seite
gelegt habe."

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