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Nr. 241 Dusterhausen- den 15. Oktober 1926 32. Iahrg.

Die Rote Woche öer Sozialdemokratie

* Unser Berliner Spezialkorrespondent, werden, bevor man das neue Wasser für das Wer dem deutschen Bürger seinen „General-

Dr. Armin ProSkauer-Kyritz, schreibt uns: bekannte Kind im Bade beschafft hat. Was will anzeiger" nimmt, nimmt ihm sein abendliches

man denn überhaupt an di« Stelle des „General- Bier, seinen Seelenfrieden, sein stilles Genügen

anzeigers" sehen? „Ersetzen" läßt sich ein „Ge- an der Welt. Willig und treu hat er bisher ge«

neralanzeiger" überhaupt nicht. Er ist ein durch- zahlt. Wir werden jedem Versuch, ihn irre zu

aus originelles Produkt der deutschen Makulatur, machen, zu begegnen wissen.

Dreister Srieftaschenraub

Unbezahlbare Rechnungen verschwunden. — Ein blinder Bettler Augen-
zeuge. — jüdischer Racheakt! - Der bestohlene gefaßt.

Sonder-Radio unseres TM., Berichterstatters. In der
Nacht gegen 2 Uhr wurde dem Privatier Gottwald Krause
beim Überschreiten des Wilhlemplatzes die Brieftasche gestohlen.
Von dem Täter, der als ein schwarzlockiges Individuum von
jüdischem Aussehen geschildert wird, fehlt jede Spur.

Nach sicheren Informationen, die aus der
engeren Umgebung des Herrn Reichspräsidenten
stammen, beabsichtigt die Sozialdemokratie, im
Monat Oktober ihre Anhänger für «ine große
Werbewoche aufzubieten.

Man muß schon sagen: herrlich weit haben
uns die Herren Marx und Stresemann
gebracht! Denn was verbirgt sich hinter dieser
manchem so harmlos erscheinenden Kulisse? Nichts
anderes als der maskenlose, brutale Angriff auf
das Letzte, das uns noch aus besserer Zeit ge-
blieben, auf das heilige Nationalgut, das uns
teuer und wert und unveräußerlich ist: der An-
griff auf die Generalanzeiger-Presse soll eröffnet
werden! Natürlich, mit ruhig-vornehmer Ver-
achtung, in die sich eine Art Mitleid mischt, wird
jeder deutschgesinnte Mann auf dieses Unter-
fangen blicken. Er darf des treuwaltendcn
Sinnes seiner Hausfrau sicher sein, die im Haus-
halt eines bestimmten Quantums PapiereS nicht
entraten kann (unsere letzt« Sonntag-Ausgabe er-
schien 24 Bogen stark), unser Leser weiß, daß,
wenn ihn ein tödlicher Unfall trifft, er die große
Freude hat, gegen Vorzeigung der AbonnementS-
quitrung für das laufende Quartal seine Familie
mit 5C0 Mark Versicherungssumme für all«
Zeiten sichergestellt zu sehen, und das deutsche
Volk in seiner Gesamtheit, «ingedenk seiner
Heroen Kant, Goethe, Hindenburg, weiß genau,
daß jeder Angriff auf die Kultur der Inseraten-
Plantagen ungefähr denselben negativen Erfolg
haben wird, wie er bislang jedem frevlen Atten-
tat auf die NormalvertragS-Bestimmungen deü
Deutschen ZeitungSverleger-VerbandeS beschieden
gewesen ist.

Aber selbstverständlich soll man auch nicht die
Augen vor der Größe der Gefahr verschließen.
Sämtliche Volkswirte sind sich darüber einig, daß
jeder einzelne, der das Abonnement des „General-
anzeigers" kündigt, einen Verlust der Äuflagen-
ziffer darftellt. Haben sich die Herren Draht-
zieher der Roten Woche das vor Augen gestellt?
Uns scheint, hier soll wieder einmal niedergerissen

Der potemkin-Zilm

Der berüchtigte Potemkin-Film, den Dunkel-
hausen bisher gottlob nicht gesehen hat, ist wieder
freigegeben worden. Der „Generalanzeiger" hat,
wie bekannt, von Anfang an vor einem solchen
Entschluß gewarnt. Wir lehnen auch heute jede
Verantwortung für die Folgen ab. Dem
Publikum empfehlen wir dringend den Besuch der
nationalen Filme: „Das Hauptquartier von

Charleville" (mit Tanzgruppe Germania-Tiller-
Girls), „Der harrende Kaiser", mit Originalauf-
nahmen aus dem Arbeitszimmer des ReichSwehr-
minifterS, und „Unsere Luise". Schlußszene zeigt
die Königin als segnenden Engel, über das
Preußenland fliegend, interessante Zeitlupen-Auf-
nahmen.

Wa» unser TM.-Berichterstatter beobachtete.

TM. Ja, Teufel, das sind nette Zustände in
unserer lieben Vaterstadt! Ehrsamen friedlichen
Bürgern stiehlt man die Brieftasche. Folgen der
roten Mehrheit im Stadthause! Nur
sie ist schuld an der mangelhaften Beleuchtung des
Wilhelmplatzes. Nicht mal um die Mittags-
stunde könnte man dort einen Blinddarm ope-
rieren! Aber das kommt, wenn das Gaswerk
kommunalisiert und das betriebsame Privatkapital
von dieser schönen Verdienftmöglichkeit ausge-
schlossen wird. Ein« private Aktiengesellschaft
hätte längst am Wilhelmplatz die Hälfte der dort
überflüssig brennenden Laternen
ausgelöscht und statt dessen 15 Prozent Dividende
gezahlt. So aber erleben wir wahnsinnigste
Geldverschleuderung durch überflüssigen Beleuch-
tungSluxuS. Typische sozialistische Mißwirtschaft.
Wo war Severings Schupo bei dem Überfall?
Eine Blamage nach der anderen erlebt das rote
Bonzen-Gesindel! — Von der Tat selber habe ich
leider nichts mehr gesehen, weil der Stahlhelm-
Abend, an dem ich teilnahm, erst um 4 Uhr endete.

Der Jammer des Bestohlenen.

Unser ??.-Berichterstatter begab sich in die
Wohnung des bestohlenen Privatiers Gottwald

Herr Kraus«, das bedauernswerte Opser.

Krause. Eine schluchzende Haushälterin öffnet«
die Tür zu einem

behaglichen Iunggesellenheim
und teilte unter Tränen mit, daß der Hausherr

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mit einem schweren Jammer zu Bett
liege. Nach einer halben Stunde erschien dieser
selbst mit einem gänzlich verquollenen Gesicht, auf
dem die Spuren des durchgemachten Leides deut«

Oie mutige Wirtschafterin, die dos Gestohlene wtederfand

lich erkennbar waren. In jovialem Berlinisch
äußerte Herr Krause: „Von die Sache selba
weeß ick nischt. Ick wa den Abend mit eene
russische Iroßfürstin, die mich ins Kaiser-Cafä
ihre bedrängte Lage jeklagt hatte, in traut«
Seelenharmonie und schmiedete Pläne zwecks Er-
langung ihres von de Bolschewisten jeraubten
VermöjenS. Wie ick zurück ahnungslos ieban
Wilhelmsplatz schlenkere, iS uff eenmal meene
Brieftasche wech. Del fiel mir nu uff und ick
schöpfte jleich eenen Köllingschen Verdacht, weil
da een blinder Bettler an'n Zaun hockte. Aber
der war et jar nich jewesen. Er saachte nämlich,
er hätte deutlich jesehn, wie

ein schwarzlockiges Individuum
mir in die Tasche jelangt un sich dann vaduftet
hätte. Natierlich di« Juden! Die Ham schon
immer eenen Haß uff mir, weil ick een durch und
durch nationaler Mann bin un seit 25 Jahren
Ihren Ieneralanzeijer lese. Na, ick bin j e -
faßt, durchaus jefaßt. Et waren nämlich bloß
unbezahlte Rechnungen. Nu «ntschuldjen Sie
mir aba, ick muß 'n Rollmops essen, die Sache
jeht mir noch fürchterlich in Kopp rum."

(Nachwort der Redaktion: Wir wissen uns von
geschäftlichem Antisemitismus frei und nehmen
gern die Inserate jüdischer Warenhäuser auf.
 
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