Symbol der Betrachtung gilt, von den des Hebräischen Kun-
digen als ,Schauen des Prinzips' gedeutet wird22. Da nun aber
andererseits die, welche sich der Betrachtung widmen, mit
ganzer Kraft nach Erforschung der Wahrheit streben, alles in
uns erregte Streben aber vom Willen ausgeht, so scheint die
Spekulation nicht sowohl auf dem Intellekt als vielmehr auf
dem Willen zu beruhen. Neben den Vertretern dieser beiden An-
schauungen gibt es nun auch noch solche, die wie Ehrenrichter
den ganzen Gegensatz aus der Welt schaffen und den Zwist
gütlich beilegen möchten. Und in der Tat, sobald wir die Tätig-
keit der Betrachtung als solche ins Auge fassen, werden wir sie
zweifellos als eine Sache des Intellekts ansehen müssen; wenn
wir aber genauer überlegen, was uns zu dieser Tätigkeit veran-
laßt, so werden wir als treibende Kraft den Willen erkennen.
Denn der Wille bewegt nicht nur die anderen Kräfte der Seele,
sondern auch den Intellekt. Durch den Willen — so nennen alle
Philosophen den von der Vernunft geleiteten Begehrungstrieb-
werden wir zur Erkenntnis des Wahren angetrieben, wobei es
belanglos ist, ob das Streben nach Erkenntnis oder die aus der
Erkenntnis entspringende Wonne den Anstoß gibt23. Der Wille
ist es also, der das Denken, die Meditation, die Kontemplation,
die Bewunderung und endlich die Spekulation veranlaßt, der
wir dann mit der größten Hingebung obliegen.
Ich will nun auf das Wesen einer jeden einzelnen von diesen auf Die Akte der
dasselbe Ziel gerichteten Betätigungen eingehen. Der Verstand BetraMwnz
betätigt sich denkend, indem er eine Menge von Einzeltatsachen
sammelt und dann alles Falsche ausscheidet, so daß schließlich
das Wahre als Endergebnis zurückbleibt. Überall treten uns ja
Erscheinungen entgegen, die uns infolge ihrer Ähnlichkeit mit
dem Wahren verwirren, ein Übelstand, dem der Weise auf dem
angegebenen Wege zu begegnen sich veranlaßt sieht. Er wirft
also zunächst einmal alles, was sich ihm darbietet, gleichsam
auf einen Haufen zusammen, scheidet sodann, diskursiv vor-
gehend, Schritt für Schritt das Falsche aus und läßt nur das gel-
ten, was er, weil es unwiderleglich ist, als wahr erkennt. Diese
Betätigung des Verstandes wird, wie du siehst, darum Denken
(cogitatio) genannt, weil Einzeltatsachen gesammelt werden
21
digen als ,Schauen des Prinzips' gedeutet wird22. Da nun aber
andererseits die, welche sich der Betrachtung widmen, mit
ganzer Kraft nach Erforschung der Wahrheit streben, alles in
uns erregte Streben aber vom Willen ausgeht, so scheint die
Spekulation nicht sowohl auf dem Intellekt als vielmehr auf
dem Willen zu beruhen. Neben den Vertretern dieser beiden An-
schauungen gibt es nun auch noch solche, die wie Ehrenrichter
den ganzen Gegensatz aus der Welt schaffen und den Zwist
gütlich beilegen möchten. Und in der Tat, sobald wir die Tätig-
keit der Betrachtung als solche ins Auge fassen, werden wir sie
zweifellos als eine Sache des Intellekts ansehen müssen; wenn
wir aber genauer überlegen, was uns zu dieser Tätigkeit veran-
laßt, so werden wir als treibende Kraft den Willen erkennen.
Denn der Wille bewegt nicht nur die anderen Kräfte der Seele,
sondern auch den Intellekt. Durch den Willen — so nennen alle
Philosophen den von der Vernunft geleiteten Begehrungstrieb-
werden wir zur Erkenntnis des Wahren angetrieben, wobei es
belanglos ist, ob das Streben nach Erkenntnis oder die aus der
Erkenntnis entspringende Wonne den Anstoß gibt23. Der Wille
ist es also, der das Denken, die Meditation, die Kontemplation,
die Bewunderung und endlich die Spekulation veranlaßt, der
wir dann mit der größten Hingebung obliegen.
Ich will nun auf das Wesen einer jeden einzelnen von diesen auf Die Akte der
dasselbe Ziel gerichteten Betätigungen eingehen. Der Verstand BetraMwnz
betätigt sich denkend, indem er eine Menge von Einzeltatsachen
sammelt und dann alles Falsche ausscheidet, so daß schließlich
das Wahre als Endergebnis zurückbleibt. Überall treten uns ja
Erscheinungen entgegen, die uns infolge ihrer Ähnlichkeit mit
dem Wahren verwirren, ein Übelstand, dem der Weise auf dem
angegebenen Wege zu begegnen sich veranlaßt sieht. Er wirft
also zunächst einmal alles, was sich ihm darbietet, gleichsam
auf einen Haufen zusammen, scheidet sodann, diskursiv vor-
gehend, Schritt für Schritt das Falsche aus und läßt nur das gel-
ten, was er, weil es unwiderleglich ist, als wahr erkennt. Diese
Betätigung des Verstandes wird, wie du siehst, darum Denken
(cogitatio) genannt, weil Einzeltatsachen gesammelt werden
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