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Landinus, Christophorus; Wolf, Eugen [Transl.]
Camaldolensische Gespräche — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 7: Jena: Eugen Diederichs Verlag, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.55590#0117
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im Leben aufgibt und die übrigen Güter sich ihr nicht mehr
unterordnen, so werden sie notwendig zugrunde gehen; auch
können sie nimmermehr für den Güter sein, der Mißbrauch mit
ihnen treibt.
So wird also ein glückliches Leben einmal auf die Tugend sich
gründen und sodann auf solche Güter der Seele und des Leibes,
ohne welche die Tugend nicht bestehen kann. Wenn aber zu
den genannten noch ein großer Teil der Güter hinzukommt, von
deren Vorhandensein die Tugend nicht abhängig ist, so wird
das Leben aus einem glücklichen ein noch glücklicheres werden.
Treten sie endlich nicht nur zu einem großen Teil, wie ich eben
sagte, sondern alle zumal hinzu, was könnte uns dann hindern,
ein solches von allen Gütern umgebenes Leben das glückseligste
zu nennen? Welches nun die Güter sind, ohne die die Tugend
nicht bestehen kann, und welches jene, deren Vorhandensein
für die Tugend nicht erforderlich ist, läßt sich leicht feststellen.
Unversehrtheit der Sinnesorgane, Gedächtnis und ein gesunder
Verstand sind Güter, ohne welche die Tugend nicht bestehen
kann; denn sie ermöglichen uns das Wissen, ohne das wir die
Tugend nicht zu begreifen vermögen. Körperliche Gewandtheit
jedoch, sowie Stärke, Schönheit, vornehme Abkunft und ähn-
liche Dinge stehen in keiner notwendigen Beziehung zur Tu-
gend, werden aber trotzdem von den Peripatetikern als Güter
angesehen, auf welche die Tugend um ihrer selbst willen Wert
legt und die der Weise richtig und wie es sich für ihn geziemt
genießen wird. Ein solches glückliches Leben, behaupten sie
weiter, diene zugleich der Gemeinschaft. So werden denn also
dem Weisen die Güter der Freunde um ihrer selbst willen wert
sein wie seine eigenen, und er wird dem Freunde dasselbe
wünschen, was er sich wünscht, nicht seinetwegen, sondern
dem Freunde zulieb. Dabei wird er jedoch seine Mitmenschen
nicht gleich behandeln, sondern durch sorgfältige Prüfung sich
darüber Klarheit verschaffen, an welcher Stelle er Vaterland,
Kinder, Eltern, Verwandte und sonstige Angehörige, wo er seine
Mitbürger, wo er endlich die übrigen Mitmenschen einzureihen
hat, und inwieweit er der Menschheit als solcher seine Neigung
zuwenden soll.

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