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Lankheit, Klaus [Bearb.]; David, Jacques Louis [Ill.]
Jacques-Louis David - der Tod Marats — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 74: Stuttgart: Reclam, 1962

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I. Das Bild
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II. Das Ereignis
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https://doi.org/10.11588/diglit.62834#0007
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und Schultern des Ermordeten und beleuchtet hell die
Attribute des Dramas; nur das Messer bleibt im Halb-
dunkel — und jener Flicken auf dem Leinen, der diskret
auf die Armut des Mannes anspielt. In diesem Licht tritt
die prachtvolle Modellierung des Körpers klar hervor
und erscheinen die wenigen Gegenstände greifbar nahe.
Aber die Kraft realistischer Vergegenwärtigung aller De-
tails, die sogar jeden Buchstaben der Briefe zu lesen er-
laubt, verbindet sich mit einer großartigen — freilich nur
vor dem Original sichtbaren — malerischen Freiheit, die
fast an Rubens’ Handschrift erinnert. Die Farbskala ist
im wesentlichen auf weißgraue, gelbliche und braune
Töne beschränkt; zu dem Olivgrün der Decke steht das
sparsam verwendete Rot des Blutes in wirksamem Kom-
plementärkontrast. Eine zarte Durchlichtung der ver-
schwebenden Tiefe des Grundes rechts oben hält die ein-
seitige Komposition im Gleichgewicht; zugleich erscheint
sie wie ein Zeichen der Verheißung für den Toten.
Der Beschauer gerät in eine — zunächst unerklärliche
— Spannung: Dem Realismus der Darstellung will er
sich einfühlsam nähern, doch die strenge Abstraktion des
Bildbaues hält ihn zurück. In der Verbindung von Ak-
tualität und Zeitlosigkeit liegt das Geheimnis des Werkes.
II
DAS EREIGNIS
Die mit so freiheitlich-liberalen Zielen begonnene
Französische Revolution war 1792 — nicht zuletzt
durch die Unfähigkeit des Königs, das Versagen des
Adels und die Intervention der Großmächte — in ihre
totalitäre Phase eingetreten. Die verzweifelte Lage an
den Fronten und die Hungersnot im Innern schufen die
Voraussetzungen der Massenpsychose, in der die Schrek-
kensherrschaft möglich wurde. Es war die Stunde für den
unerbittlichen Verfechter der Volkssouveränität, den
ehemaligen Arzt und Physiker Jean-Paul Marat, der mit
seinem Blatt „Ami du peuple“ das Ohr der Straße be-

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